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Hier möchten wir Themen ansprechen, die unserer Meinung nach in der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden oder in vielschichtigeren Zusammenhängen diskutiert werden sollten. Diese können sowohl lokalen Bezug haben, oder auch von übergeordneter Bedeutung sein. Die Texte werden von Zeit zu Zeit ausgetauscht, um Vielfalt und Aktualität sicher zu stellen. In diesem Interesse sind Anregungen und Beiträge stets willkommen. Falls Sie ein Statement auf dieser Seite platzieren möchten, können Sie uns dieses per E-mail (jh.reus-hanau@t-online.de) oder per Post an die im Impressum geannte Anschrift übermitteln. Da wir innerhalb des Vereins das Prinzip der Meinungspluralität beachten wollen, geben Beiträge unter dieser Rubrik nicht einen wie auch immer gearteten offiziellen Vereins-Standpunkt wieder. Sie werden deshalb namentlich gekennzeichnet. Für Links auch innerhalb namentlicher Beiträge gelten sinngemäß die auf unserer Impressum-Seite geltend gemachten Vorbehalte (Disclaimer).


Verluste an Biomasse bei Insekten


Hier soll an die Bemerkungen zu den aktuell diskutierten Verlusten an Biomasse der Insekten (siehe Bayrisches Volksbegehren zum Thema) im Beitrag „Feldwegeumbruch – ein Statement“ angeknüpft werden. Dort wurde der Verlust bei Artenvielfalt und Anzahl der Individuen bei den Insekten und in Folge auch der in der Nahrungskette anschließenden Tierarten durch Verarmung unserer Kulturlandschaft an Wildkräutern, vor allem wilden Blühpflanzen beklagt. Es erscheint evident, dass diese Zusammenhänge den wesentlichen Beitrag zu dem beobachteten Phänomen darstellen. Trotzdem soll ein weiterer, von einem seriösen Institut untersuchter Aspekt nicht unerwähnt bleiben:
Dieser besteht im Einfluss auf die Artenvielfalt als Nebeneffekt der Energiegewinnung mittels Windkraftanlagen. Besonders im Hinblick auf den jüngst diskutierten Rückgang der Biomasse bei Insekten wird in einem Bericht des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt* von Dr. Franz Trieb behandelt.

* Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Technische Thermodynamik, Systemanalyse und Technikbewertung Pfaffenwaldring 38-40
70569 Stuttgart Deutschland, Telephon ++49-(0)711-6862-423, Telefax ++49-(0)711 6862 8100, franz.trieb@dlr.de, www.DLR.de/tt/system
https://www.dpg-physik.de/veranstaltungen/2019/dpg- industriegespraech-fluginsekten-und-windparks


Die Studie weist auf den möglichen Zusammenhang hin zwischen den konstatierten Verlusten an Fluginsekten und deren Kollision mit den Rotorblättern von Windkraftanlagen.
Literaturstellen bestätigen, dass Insekten auf ihren Wanderungen schnelle Luftströme oberhalb der turbulenten bodennahen Schichten bevorzugen. Diese Wanderzüge dienen der Vernetzung von Brutstätten und der Ausbreitung und genetischen Vermischung der Populationen und bieten daher offensichtlich evolutionäre Vorteile. Zu den Arten, die weite Wanderungen in bestimmten Generationen zurücklegen gehören u.a. viele, auch dem Laien auf Grund ihres attraktiven Aussehens bekannte Schmetterlingsarten, wie z.B. der Distelfalter (Vanessa cardui), der Admiral (Vanessa atalanta), das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum) der Postillion (Colias croceus), oder auch der Russische Bär (Euplagia quadripunctaria).
Modellberechnungen mit Hilfe der Insektendichten in den relevanten Höhenschichten ergaben die Masse an Insekten, die die Windrotoren durchqueren. Eine erste Schätzung kam auf eine Größenordnung von 24.000 Tonnen Insekten für die Windparks in Deutschland im Laufe der Sommersaison. Eine konservative Annahme, geht von fünf Prozent der die Windkraftanlage passierenden Insekten aus, die durch den Rotor beschädigt werden. Der dadurch verursachte Verlust würde sich dann auf 1.200 Tonnen pro Jahr beziffern. Diese Größenordnung kann im Lauf der vergangenen 15 Jahre intensiver Windenergienutzung für die Stabilität der Populationen durchaus relevant sein.
Der Autor weist in seiner Summary darauf hin, dass die innerhalb seiner Studie gefundenen, an den Rotorblättern anhaftenden Überreste dringend durch DNA– Untersuchung identifiziert werden sollten.
Der Bericht ist in englischer Sprache verfasst. Das "Fazit" wird sinngemäß übersetzt und wiedergegeben.
Bewertung:
Dieser Bericht ist deshalb so interessant, weil erstmals der Einfluss der Windenergienutzung mittels großer Rotoren mit der gegenwärtig üblichen Nabenhöhe in Zusammenhang gebracht wird mit der aktuell beobachteten und diskutierten Minderung der Insektenpopulation.
Die schlimmen Auswirkungen auf die Vogelwelt (herausstechendes Beispiel Milane) und Fledermäuse sind mittlerweile unstrittig. Wenn aber in hohem Maß auch die Insekten, als dominierend wichtiges Glied der Nahrungskette betroffen sind, werden wir gegenwärtig Zeugen einer extrem gefährlichen Entwicklung zu einem in seiner Dimension nicht absehbaren Niedergang und der Zerstörung aller Gleichgewichte in der Natur!
Ob es allerdings realistisch ist, so wie es der Autor in der Zusammenfassung fordert, die Windkraftanlagen so zu ertüchtigen, dass sie die sich nähernden Insekten erkennen und mit Maßnahmen zur Verschonung reagieren, wäre nach dem Stand der Technik und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte ein schönes Thema für Science Fiction–Phantasien.

14.03.2019 Josef Heinrich Reus



Streuobstwiesen des Somborner Vogel- und Naturschutzvereins


Streuobstanlagen haben im Rahmen der Gesamtkonzeption der Biotope des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn einen besonderen Stellenwert. Streuobstwiesen sind Habitate, die einer Vielfalt von Arten in einer speziellen Zusammensetzung Heimat und Nahrung bieten. Den Älteren unter uns ist bestimmt noch gegenwärtig, dass die ländlichen Gemeinden von einem regelrechten Streuobstgürtel umgeben waren. Teilweise war dieser auch einer Mehrfachnutzung unterworfen. Hühner pickten Obstmaden aus dem Boden, Gras und Löwenzahn dienten als Futter für viele Haustiere wie Kaninchen und Ziegen. Die dort kultivierten Obstbäume bestanden aus Hochstämmen, die man ein beträchtliches Alter erreichen ließ. Dadurch eigneten sie sich als Heimstätte für verschiedene, heute selten gewordene oder nahezu gänzlich verschwundene Höhlenbrüter, wie Z.B Gartenrotschwanz, Star, Wiedehopf, Grün- und Grauspecht, Steinkauz und Wendehals. Aber auch Vogelarten, die üblicherweise ihre Nester in den Zweigen der Obstbäume bauen, wie Stieglitz, Hänfling, Girlitz und weitere Finkenarten, siedelten sich hier gerne an.
Der Streuobstanbau, wie er vom Vogel- und Naturschutzverein Somborn als Nachvollziehen einer Nutzungsform gepflegt wird, die unsere ländliche Umgebung früher geprägt hat, folgt der grundsätzlichen Überzeugung der Naturschützer, dass er naturnah zu sein hat. Kultiviert werden alte Sorten wie Boskoop, Goldparmäne, Rambur und ähnliche.
Bei der Pflege von Streuobstwiesen handelt es sich dabei aber nicht allein um praktizierten Naturschutz, sondern auch um die Aufrechterhaltung eines regionalen Kulturgutes. Diesem Gedanken folgend, hat der Vogel- und Naturschutzverein Somborn in seiner Streuobstanlage oberhalb des Feuchtbiotops Schottengrund neben verschiedenen alten Apfelsorten auch einen Speierling-Baum Sorbus domestica angepflanzt, dessen Früchte bei der Apfelweinbereitung traditionell als haltbarmachender Zusatz verwendet werden, wobei ein ganz hochwertiges, charaktervolles „Stöffche“ entsteht.
Der Verein pflegt mehrere Streuobstanlagen:
Die älteste oberhalb des Feuchtbiotops Schottengrund befindet sich im Eigentum des Vereins und war schon bei der Übernahme vom Vorbesitzer mit alten Hochstämmen bepflanzt. Leider mussten zwischenzeitlich stellenweise neue Bäume nachgepflanzt werden, weil es Verluste durch mutwillige Beschädigungen gegeben hat. Die dabei vorgefundenen Traktorspuren lenkten den Verdacht zwar in eine bestimmte Richtung, waren aber als belastbarer Beweis nicht spezifisch genug.
Weitere Streuobstanpflanzungen befinden sich auf dem Gelände oberhalb des Wellbachbiotops im Eigentum des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn sowie auf der benachbarten Ausgleichsfläche im Eigentum von HESSEN MOBIL, die vom Vogel-und Naturschutzverein Somborn in deren Auftrag im Sinne des Naturschutzes betreut und gepflegt wird.

29.09.2018 Josef Heinrich Reus




Was ist bei der Anlage einer naturnahen Blumenwiese zu beachten?


Die Pflanzengemeinschaft einer naturnahen Blumenwiese hat bestimmte Kriterien zu erfüllen, damit diese ihrem Namen und ihrer Funktion gerecht wird:
  1. Einheimische wild vorkommende Arten
  2. Arten, die den uns (der mittleren oder auch der mittlerweile älteren Generation) noch bekannten Charakter einer Blumenwiese prägten, wie z.B. Wiesensalbei, Margerite, Odermennig u.v.a.
  3. Die Arten sollten standortgerecht sein. Das bedeutet, die Ansprüche an Bodenbeschaffenheit, Bodenfeuchtigkeit und Mikroklima sollten den vorhandenen Gegebenheiten entsprechen. Dies ist nicht nur Voraussetzung dafür, dass die Investition an Arbeit und Kapital nachhaltig Bestand hat, sondern erfüllt auch die dem Menschen innewohnenden oder durch Gewohnheit aufgeprägten ästhetischen Vorstellungen von Landschaft.
  4. Die Pflanzenzusammensetzung sollte darüber hinaus bestimmte funktionale Eigenschaften haben. Zu nennen sind hier vor allem Zugänglichkeit für bodenbrütende Vogelarten (Lerchen, Goldammern), Deckung für Niederwild, Vermeiden von Deckung für kleineres Raubwild. Hier ist vor allem der Habitus der Pflanzen zu beachten (Wuchshöhe, Verholzung - Halbsträucher eher ungeeignet).
Einfluss gegebener Randbedingungen:
  1. Landwirtschaftliche Schläge haben oftmals eine Geschichte als Spiegel von Besitzstrukturen, Erbfolgen und ähnlichen Einflussgrößen, die aber mit kleinklimatischen, geologischen und topografischen Strukturen nur wenig zu tun hat. Für die Einrichtung einer Wildblumenwiese ergibt sich daraus, dass ein Schlag oftmals nicht mit einer einheitlichen Mischung eingesät werden kann, sondern in unterschiedliche Bereiche des Bodens und des Mikroklimas aufgeteilt werden sollte unter Berücksichtigung von Hanglagen mit unterschiedlichen Höhenkoten, Nähe zu Feuchtgebieten etc.
  2. Dies bedeutet zwar etwas mehr Arbeit bei Planung und Ausführung, führt aber zu erfreulicheren Ergebnissen und zu Strukturen, wie sie sich bei naturnaher Bewirtschaftung über einen längeren Zeitraum von selbst eingestellt hätten.
Fehlerquellen:
  1. Ausschließlich an Auswahlkriterien, wie z.B. Nahrungsertrag für bestimmte Tierarten orientierte Artenauswahl der Pflanzen (Stichwort „Wildacker“) könnte Plantagen zur Folge haben, welche die Fehler einer naturfernen Bewirtschaftung nur nachvollziehen.
  2. Vorgenanntes gilt auch für Samenmischungen, die im landwirtschaftlichen Bereich in erster Linie als Gründüngung und Bodenverbesserung Anwendung finden. Bei diesen bewirken Leguminosen eine Verbesserung der Bodenstruktur und des Stickstoffvorrats mittels Nitrifizierung der Böden mit Hilfe ihrer symbiotischen „Knöllchenbakterien“. Solche Mischungen sind für landwirtschaftliche Zwecke auch aus ökologischen Gründen sehr gut geeignet, für den Aufbau einer natürlichen Blumenwiese mit Ausnahme einiger Kleearten aber eher kontraproduktiv.
  3. Phacelia ist eine häufig in der Landwirtschaft zur Gründüngung eingesetzter Bodenverbesserer. Sie gilt als „Bienenweide“ ist aber kein einheimisches Gewächs und nur deshalb nicht als invasiver Neophyt aufgefallen, weil sie in Mitteleuropa nicht frostbeständig ist!
  4. Mahdverträglichkeit ist ebenfalls ein Kriterium, jedoch sind die Verhältnisse so kompliziert, dass bei der Pflege einer solchen Wiese ein spezielles Mahdmanagement erforderlich ist, welches den Pflanzen Zeit lässt zum Aussamen, um nicht nach 3 Jahren wieder eine artenarme Grasfläche zu haben. Hierzu ist ständige Beobachtung der Vegetation notwendig.
Im kommunalen Bereich spielt der Verschönerungseffekt oft eine dominierende Rolle. Meist ist ein sofort sichtbarer 100%iger Erfolg in Form eines bunten Blumenstreifens das Ziel von Maßnahmen, um aus Gründen der Publikumswirksamkeit im politischen Wettbewerb zu glänzen. Hier werden dann aus ehemaligen Wildpflanzen herausgezüchtete, gefüllt blühende Zierformen eingesetzt, die als einjährige Gewächse schon nach der ersten Saison wieder verschwunden sind, weil sie keine Chance zur Selbstaussaat haben. Hier ist es gerechtfertigt von einer Pappmaché-Kulisse einer Blumenwiese zu sprechen. Speziell im kommunalen Umfeld oder zur „Renaturierung“ von Böschungen oder Straßenrändern im Straßenbau gibt es bunte Blumenmischungen, die mit unserem Anliegen relativ wenig zu tun haben. Ebenso decken Mischungen mit speziellen Nektarpflanzen in erster Line das Interesse von Imkern ab. Natürlich gibt es Interessensüberdeckungen von Naturschützern und Imkern, die auch zur Multiplikation des Erfolges für beide Gruppen eingesetzt werden sollten. Als alleiniges Kriterium sind diese Überdeckungen aber eher ungeeignet. Dass Honigbienen wie alle Insekten von natürlichen Blumenwiesen profitieren, ist ein höchst willkommener Nebeneffekt. Im Vordergrund sollte bei uns Naturschützern aber immer die natürliche Artenvielfalt stehen. Einige Solitärbienen, z.B. die Mauerbienen u.a. Osmia cornuta, weisen darüber hinaus eine interessante Besonderheit beim Nektar- und Pollensammeln auf: Sie bewegen sich zwischen den blühenden Obstgehölzen hin und her und bewirken dadurch eine effizientere Bestäubung als die meisten Honigbienen, die systematischer vorgehen und immer erst einen Baum absammeln, bevor sie sich dann den nächsten vornehmen.

Streuobstanlagen und Wildblumenwiesen - prinzipielle Frage:

Ist der Habitus einer erfreulich bunt blühenden Heuwiese mit dem Habitus einer Streuobstwiese vereinbar? Bei dem Begriff „Streuobstwiese“ kommt dem Naturkenner zunächst als spontane Assoziation „Fettwiese“ mit Löwenzahn, Hahnenfuß, Spitzwegerich höchstens noch Gewöhnliche Schafgarbe, Wiesenschaumkraut und diversen Doldengewächsen wie z.B. Wilde Möhre in den Sinn. Will man diese Besonderheiten berücksichtigen, schränkt das die Auswahl der Blühpflanzen stark ein. Um Eintönigkeit zu vermeiden, können Randbereiche auch mit weiteren Blühpflanzen eingesät werden. Hier kommen auch am ehesten niedrig bleibende oder nicht zu stark wüchsige Arten in Frage wie beispielsweise die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) Wiesen-Glockenblume, Acker-Veilchen, Ährige Teufelskralle, Labkraut, Leimkraut, Hirtentäschel, Natternkopf. Im Fall einer Kombination Streuobstwiese / Wildblumenwiese könnte es sinnvoll sein, an eine sparsamere Einsaat (etwa 30% der sonstigen Empfehlung) mit Blütenpflanzen von Heuwiesen - Charakteristik zu denken. Dies bedeutet im Nebeneffekt auch niedrigere Saatgutkosten.

Angewendet auf die Situation von Geländen auf die der Vogel- und Naturschutzverein Somorn Zugriff hat:

Die Streuobstwiese oberhalb des Schottengrundes korrespondiert wohl eher mit der Charaktristik einer „Fettwiese“ und ist deshalb besser für zurückhaltende Aufwertung im Sinn des vorangegangenen Absatzes geeignet, mit einigen sorgsam ausgewählten Blühpflanzen und Blührändern . Hier bietet sich die Ansiedlung des großen Wiesenknopfs (Sanguisorba officinalis) an, der im Enwicklungszyklus einer seltenen Bläulingsart eine wichtige Rolle spielt. Das Gelände oberhalb des Wellbachgrundes ist hier für eine bunte Wiesenblumenvegetation eher geeignet und zwar beschränkt auf die Höhelage im oberen Bereich des Areals und das Grundstück der Ausgleichsfläche von HESSEN MOBIL. Im unteren Bereich sollte man die Entwicklung der Natur überlässen, so dass sich hier eine Magerwiesenvegetation mit Übergang zum Feuchtgebiet natürlich einstellen kann.

01.10.2018 Josef Heinrich Reus




Was sind eigentlich …… „Kopfweiden“? – was Naturschützer wissen sollten.


Die Kopfweide ist keine besondere Weidenart oder Züchtung. Ihr charakteristischer Habitus ergibt sich aus dem nutzungsbedingten Schnitt verschiedener sowohl strauch- als auch baumförmiger Weidenarten. Da wo es sie noch gibt ist die Kopfweide eine in unserer Kulturlandschaft auffallende, prägende Erscheinung. Mit unberührter Natur hat sie aber demnach sehr wenig zu tun. Wie bereits erwähnt, basiert ihr besonderes Erscheinungsbild auf einer Nutzung, die dem heutigen Menschen allerdings weitgehend fremd geworden ist. Weidenruten wurden über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende durch Menschen zur Herstellung von vielerlei Flechtwerk in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern genutzt. Somit ist die Kopfweide im weitesten Sinn ein Kulturgut.
Gerne erinnere ich mich daran, wie ich als Jugendlicher am Rand des Weges zur Marienruhe am Somborner Wald durch eine offensichtlich damals noch bewirtschaftete Anlage zur Erzeugung von Weidenruten gestreift bin. Das Nest einer Heckenbraunelle, versteckt im hüfthohen Stock einer Weide, hat mich so beeindruckt, dass ich noch heute in der Erinnerung die leuchtend türkisfarbenen Eier im sehr akkurat gebauten Nest vor mir sehe.
Neben diesen kulturellen und persönlich emotionalen Aspekten hat die Kopfweide in unserer die Gegebenheiten der Natur nutzenden Kulturlandschaft auch ihren ökologischen Platz und für die Artenvielfalt unserer über viele Generationen gewachsenen Habitate einen nicht niedrig einzuschätzenden Stellenwert.
Naturschützer haben sehr wohl erkannt, dass die von ihnen gepflegten Habitate meist keine ursprünglichen Naturlandschaften sind, sondern das Ergebnis einer Jahrtausende währenden Kultivierung. Wenn sie nun versuchen, Nutzungsformen, die heute nicht mehr üblich sind, durch Pflegemaßnahmen nachzubilden, rührt das, neben der Absicht besondere Lebensräume zu schaffen bzw. zu erhalten, vielmals aus dem Bestreben her, ein liebgewonnenes Ambiente zu konservieren.

Bedeutung für die Artenvielfalt:

Aber nicht die einleitend erwähnten Kleinodien der Natur machen Kopfweiden so wertvoll. In den zahlreichen Zwickeln und Winkeln, angefüllt mit verrottendem Holz (Mulm) der Rutenstümpfe findet eine Vielzahl von Organismen ihren Platz. In einer Veröffentlichung auf der Homepage des NABU-Kreisverbandes Heinsberg wird sogar eine Reihe von Pflanzen aufgelistet, die hier ihr kärgliches Auskommen gefunden haben, für die aber eine epiphytische Lebensweise eher die Ausnahme darstellt:
Große Brennnessel - Urtica dioica
Himbeere - Rubus idaeus
Bittersüßer Nachtschatten – S. dulcuamara
Stechender Hohlzahn - Caleopsis tetrahit
Schwarzer Holunder - Sambucus nigra
Drüsiges Springkraut - Impatiens glandulifera
Gemeiner Löwenzahn - Taraxacum officinale
Eberesche - Sorbus aucuparia
Wiesenrispengras - Poa pratensis
Rote Johannisbeere - Ribes rubrum
Stachelbeere - Ribes uva-crispa
Taubnesselarten - Lamium spec.
Die Epiphytenbesiedlung ist zwar ein interessantes Detail und in einem gewissen Maß kurios. Für den Naturschützer viel bedeutender ist jedoch das Vorkommen etlicher Pilze und Schwämme, die dann wiederum einer großen Anzahl von Insekten und ihren Larven Nahrung und Unterschlupf bieten. Die Homepage des NABU-Kreisverbandes Heinsberg nennt an Pilzen die folgenden Arten:
Weiden – Scheibenpilz - Cytidia salicina
Blasiges Eckenscheibchen - Diatrype bullata
Kreisel – Drüsling - Exidia recisa
Weiden – Stengelbecherling - Hymenos cyphus conscriptum
Weidenkätzchen Becherling -Pezizella amenti
Muschelförmiger Feuerschwamm - Phellinus conchatus
Weidenschüppling - Pholiota conissans u.v.m.
Bedeutend ist, dass viele, teilweise bedrohte Käferarten und deren Larven Unterschlupf und Nahrungsbasis in den Kopfweiden finden. Nicht zu vernachlässigen ist der Umstand, dass durch ständige Verletzung der Holzsubstanz beim Schnitt der Kopfweiden faulende Hohlräume entstehen, die höhlenbewohnenden Vogelarten als Wohnstätte oder Schlafplatz dienen können. Dies gilt z.B. für den Steinkauz, der durch den Rückgang von Streuobstanlagen und zunehmenden Grünlandumbruch zusätzlichem existenziellem Druck ausgesetzt ist. Weiterhin zu erwähnen sind Wiedehopf (Wappenvogel des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn), Gartenrotschwanz, alle heimischen Fliegenschnäpper- und Meisenarten.
An Säugetieren fallen Höhlen als Sommerquartiere für Bilche, Fledermäuse und Marderartige ein.


Interessant für die Pflege:

Für die gewerbliche Rutengewinnung wurde ein jährlicher Schnitt durchgeführt. Zur Biotoperhaltung können Intervalle bis zu 10 Jahren abgewartet werden. Diese größeren Intervalle führen im Nebeneffekt dazu, dass größerflächige Schnittverletzungen entstehen, die das Eindringen von Pilzen und Bakterien erleichtern, so dass sich größere Hohlräume bilden für die Besiedlung durch Vögel und Kleinsäuger. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es einen Zielkonflikt zwischen Landschaftsschutz, Schaffung von Refugien für Kleinlebewesen und der Nahrungsversorgung im zeitigen Frühjahr für Wild- und Honigbienen gibt. Entschärfen lässt sich dieser Konflikt durch sorgfältige Beachtung und Abwägung der auseinanderlaufenden Interessen. So ist zu vermeiden, dass Weiden verbreitet allesamt zu Kopfweiden gestutzt werden. Es muss eine genügende Anzahl von Büschen im Frühjahr ungestutzt verbleiben, damit diese genügend Weidenkätzchen als Nahrungsgrundlage für Nektar und Pollen sammelnde Insekten hervorbringen können. Ein vollständiges Verbannen von Kopfweiden aus unserer Landschaft sollte andererseits ebenso unterbleiben, weil man ansonsten auf sehr spezielle Habitate für schützenswerte Organismen verzichten würde. Auch manche Landschaft würde so in ihrem reizvollen Erscheinungsbild verarmen.
Möglicherweise werden Imker dazu andere Ansichten haben, doch sollte auch diese Interessengruppe einsehen, dass die Imkerei nur eine von vielen Nutzungsformen der Natur darstellt.
Wichtig ist bei allen Schnittmaßnamen, dass man (gilt nicht nur bei der Kopfweidenpflege) niemals komplette Heckenzüge auf einmal stutzt, sondern den Schnitt in mindestens 3-Jahres-Intervalle aufteilt, um immer unterschiedliche Aufwuchsstadien der Heckengehölze zu haben. Ein anderes in der ersten Begeisterung bei Naturschutzmaßnahmen gern unterschätztes Thema ist der nachhaltige Umgang mit den persönlichen Ressourcen und der eigenen Leistungsfähigkeit. Der Aufwand bei der Pflege von Kopfweiden darf nicht gering veranschlagt werden, zumal dem Naturschützer im Normalfall kein Mehrwert in Form von Weidenkörben oder ähnlichen Produkten winkt. So wirkt der damit verbundene erhebliche Aufwand schon per se einer unverhältnismäßig übertriebenen Anlage von Kopfweiden entgegen.


15.09.2018 Josef Heinrich Reus




Revision zu den Bemerkungen über die Nachhaltigkeit im Naturschutz


Der Begriff „Nachhaltigkeit”, der so gerne von Naturschützern, die sich in erster Linie im politischen Umfeld verorten, immer wieder gern verwendet wird, entstammt eigentlich dem Vokabular der Ökonomie. Er bezog sich anfangs auf die Bewirtschaftung von forstwirtschaftlich genutzten Flächen und folgte der Erkenntnis, dass Raubbau tunlichst vermieden und nur so viel an Holz zur Nutzung entnommen werden soll, wie auf der bewirtschafteten Fläche wieder bis zur nächsten Entnahme nachwachsen kann. Dies bezog sich auf die Leistungsfähigkeit der Natur.
In unserem Sinn ist die Anwendung des Begriffs sinnvollerweise ebenfalls ökonomisch zu definieren. Hier sind die zu beachtenden Faktoren nicht nur die Regenerationsfähigkeit der Natur, sondern auch die Leistungsfähigkeit der im Naturschutz und besonders der Erhaltung und Pflege von Habitaten tätigen Personen.
Das Ziel und damit unverzichtbares Merkmal des Naturschutzes besteht darin, dem Wohl der Natur Beständigkeit zu verleihen. Vor allem, wenn dieses durch unsere Aktivitäten erst herbeigeführt wurde, sollten die aufgewendeten Mühen mehr auslösen als ein Strohfeuer, welches nach kurzem Auflodern schnell wieder verlischt. Dies wäre auch unter einer ökonomischen Sichtweise nicht besonders sinnvoll.

Mehrere Aspekte sind zu beachten: Unsere Maßnahmen sollten nach Möglichkeit Strukturen nutzen, die schon „naturgegeben” vorhanden sind. Dies ist allerdings mangels Masse meist nur noch sehr selten realisierbar. Wenn durch menschliche Eingriffe geeignete sekundäre Strukturen entstanden sind, müssen diese selbstverständlich genutzt werden, da auf der anderen Seite durch menschliche Eingriffe genügend natürlich gegebene Biotope vernichtet wurden. Die Nutzung von sekundären Strukturen erfordert immer einen deutlich höheren Aufwand an Investitionen und Arbeitsleistungen zur Pflege, als der Schutz und die Bewahrung natürlich vorhandener Habitate. Dieser höhere Pflegeaufwand läuft dem Bestreben nach Nachhaltigkeit leider zuwider, weil er auf die über Generationen andauernde Bereitschaft von Ehrenamtlichen angewiesen ist, die erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Andererseits handelt es sich in einer über Jahrhunderte durch menschliche Nutzung geprägten Kulturlandschaft fast immer um durchaus erhaltenswerte „Sekundärstrukturen”, welche durch Nachvollziehen von landwirtschaftlichen Tätigkeiten bewahrt werden können, die in der heutigen Agrarindustrie nicht mehr üblich sind. Auch die geänderte Rohstoffbasis für manche Produkte lässt viele der früher gepflegten Kulturen aussterben.
Hier kommt auf die Naturschutzverbände und vor allem auf die vor Ort tätigen Vereine eine verantwortungsvolle Aufgabenstellung zu.
Betroffen von diesem Wandel sind in besonderem Maß sog. Kulturfolger in der Tier- und Pflanzenwelt, wie z.B. Hamster, einige Eulenarten, Schwalben, Weißstorch oder „Ackerunkräuter”, die als ehemalige Steppenpflanzen durch den vorindustriellen Getreideanbau ihre Verbreitung fanden. In diesem Kontext ist der Politik ein hohes Maß an Verantwortung zuzuweisen, die durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen dem Gedanken der Erhaltung der Artenvielfalt bei gleichzeitiger auskömmlicher Einkommenssituation unserer landwirtschaftlichen Betriebe Rechnung tragen muss. Wenn dabei auch noch gesunde, von Giften weitgehend freie Nahrungsmittel erzeugt werden, wäre ein weiterer positiver Nebeneffekt bewirkt.
Am einfachsten realisierbar ist die Erhaltung der Artenvielfalt im Fall von waldbewohnenden Organismen, die über Prozessschutzflächen eine Überlebenschance bekommen. Hier lassen sich besonders im öffentlichen Eigentum befindliche Waldbereiche anteilsweise durch entsprechende gesetzliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen sehr nachhaltig schützen, wenn diese dann auch durch langfristige Festlegungen abgesichert werden.
Fazit für die Naturschutzvereine: Die Naturschutzvereine müssen zunächst bei sich selbst anfangen. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verankerung des Gedankens eines nachhaltigen Naturschutzes im öffentlichen Bewusstsein mittels geeigneter interner Bildungsmaßnahmen und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit. Jugendarbeit muss einen extrem hohen Stellenwert bei unseren Bestrebungen haben, weil nur so kommende Generationen die Nachhaltigkeit gewährleisten.
Ein weiterer Aspekt ist der unermüdliche Einsatz gegenüber dem Gesetzgeber auf übergeordneter Ebene durch Öffentlichkeitsarbeit und demokratischen Druck sowie Agieren gegenüber den Verwaltungen vor Ort im Sinn des nachhaltigen Naturschutzes als verantwortungsbewusste Bürger. Eine große Rolle spielt hierbei die Absicherung von Beständen an Biotopgelände über Erwerb als Eigentum oder langfristige Pachtverträge. Eine generell anzustrebende Maßnahme ist immer die möglichst hohe Einstufung von Habitaten als Schutzgebiete.
Letztlich folgt somit das Bestreben nach „Nachhaltigkeit” nicht den manchmal etwas nebulosen „Neusprech”- Wortmoden, die irgendwo eine diffuse Sehnsucht ausdrücken nach einer heilen Welt, in der es keinen Wandel (und keine Menschen) gibt, sondern meinen ganz handfest die ökonomischen Randbedingungen, unter denen ehrenamtliche Naturschutzaktive einen Dienst leisten, der nicht in frustrierende Sisyphusarbeit ausartet.

03.03.2018 Josef Heinrich Reus




Feldwegeumbruch – ein Statement

Feldwege bildeten in unserer Flur einstmals ein engmaschiges Netz und dienten der Zugänglichkeit zu den landwirtschaftlichen Flächen, die im Gegensatz zu heute in relativ kleine Schläge aufgeteilt waren. Früher bemaß sich die Schlaggröße in der Flächeneinheit „Morgen”. Diese Bezeichnung leitete sich aus der im Zeitraum eines Morgens bearbeitbaren Fläche her und wies so schon auf die natürliche Größenbegrenzung der Schläge hin. Dies ist heute nur noch von sprachgeschichtlichem Interesse. Heute sind die Schläge deutlich größer. Dafür gibt es einen rationalen Grund. Wegen der Anwendung von modernen Bearbeitungsmaschinen, die auf Grund der internationalen Wettbewerbssituation für unsere Landwirte unvermeidlich ist, ist die Zerstückelung in kleine Schläge wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Der Hessische Bauernverband (im Landwirtschaftlichen Wochenblatt 14/2017) sah sich sogar nicht nur zur Aussage veranlasst, der Umbruch von Feldwegen sei gerechtfertigt als „Rationalisierung” und „Kosteneinsparungspotential”. Gegeben seien sogar positive Umwelt- und Klimaeffekte, weil Treibstoff und damit Emissionen eingespart würden. Die Landwirte erhalten sogar für die Flächen ungenehmigt umgebrochener Feldwege EU-Agrarförderung, wobei allerdings nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Feldwege als geschütztes Landschaftselement bei der EU-Flächenförderung ebenfalls förderfähig sind. Im Prinzip treffen die Statements des Hessischen Bauernverbandes zu, doch beschreiben sie nur die halbe Wahrheit. Was der Hessische Bauernverband ignoriert, ist die Funktion von Feldwegen über die einfache Logistik hinaus. Sie sind für die Artenvielfalt wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Das trifft auf die Vögel der offenen Feldflur, das Niederwild, die botanische Vielfalt und die Welt der Insekten, für andere Gliedertiere und Wirbellose aber auch einige Reptilienarten zu. Dass die Landwirtschaft, indem sie ihr Gewerbe großflächig ausübt, auch eine besondere Verantwortung für die in ihrem Einwirkungsbereich existierenden Lebewesen trägt, sollte sich eigentlich auch einem Verbandsvorsitzenden an seinen Scheuklappen vorbei erschließen.


Die Gemeine oder Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus), auch Zichorie genannt.
Sie trägt den Bezug zu ihrem Standort im Namen. Wegen der anmutigen Blüten und der enthaltenen Bitterstoffe ranken sich viele Mythen um das Kraut. Nutzung als Gemüse-, Salat- und Heilpflanze auch in verschiedenen Zuchtformen.

Platterbsen (Lathyrus) und die bekannte Kamille (Matricaria chamomilla L.) zieren oft Wegränder, die beim Totspritzen vergessen wurden. Die Margerite (Chrysanthemum leucanthemum) ist eigentlich eine typische Wiesenblume. Mit der Änderung der Ökologie unserer Wiesen ist sie fast nur noch als Wegrand-Blume anzutreffen.
Das Echte Leinkraut (Linaria vulgaris) sieht einem Löwenmäulchen ähnlich. Insekten, die an seinen Nektar kommen wollen, müssen schon einige Kraft aufbringen, um die „Mäuler” zu öffnen. Deshalb werden ihre Blüten hauptsächlich von Wildbienen und Hummeln frequentiert.

Die wahrhaft alarmierenden Zahlen zum Rückgang der Arten und zum Rückgang der in „Biomasse” ausgedrückten Zahl der Individuen an Insekten müssen uns veranlassen, hier eine Wende zu fordern. Die Studie, die wegen eines Biomasserückgangs an Fluginsekten um 75 bis 80 % innerhalb von ca. 20 Jahren von den Naturschutzverbänden bis zum Umweltministerium ein enormes Aufsehen erregt hat, wurde zwar schnell als methodisch angreifbar abqualifiziert, wohingegen in anderen Studien immerhin noch eine Größenordnung von über 20 % Verlust ermittelt wurde. Wenn man sich einmal die Mühe machen würde, den Sachverhalt methodisch einwandfrei zu untersuchen, würde man schätzungweise bei einem Wert um 50 % landen, was in der Tat alarmierend genug sein sollte und auch dem erlebten Erfahrungswert vieler Naturfreunde entspräche. Der NABU spricht im Schwerpunktthema seines Mitgliedermagazins Naturschutz heute vom Winter 2018 eine deutliche Sprache. Die in diesem Blatt genannten Zahlen lassen aufhorchen: So gingen in nur 12 Jahren 12,7 Millionen (15 % des Bestandes) an Vogelbrutpaaren verloren. Diese traurige Entwicklung fand parallel zur Ausräumung und Verarmung der landwirtschaftlich genutzten Landschaft und zum ungebremsten Pestizideinsatz statt. Das große Sterben hat viele Ursachen, die in ihrer Komplexität und ihrem Zusammenwirken mittlerweile aber bestens erforscht sind. Diese Ursachen reichen von extrem artenarmen Monokulturen - auch beim Anbau sog. „Energiepflanzen” - bis hin zur Anwendung von modernen Insektiziden wie z.B. Neonicotinoiden (Nervengifte, die an den Acetylcholinrezeptoren angreifen). Zudem wurden die ursprünglichen Wegbreiten von ca. 6 bis 8 Meter dort, wo überhaupt noch Wege übrig sind, oftmals auf 3 bis 3,5 Meter reduziert (Dieter Gothe vom NABU Solz in Hessen natürlich 1/2018), was eine zusätzliche Verminderung der ehemals vorhandenen Refugien bedeutet.


Der Wiesensalbei (Salvia pratensis) ist eine ehemals weit verbreitete Wiesenblume und teilte sich diesen Standort mit der Margerite. Wie diese musste er heute wegen der intensiven Bewirtschaftung der Wiesen an die Wegränder ausweichen, wo er ein mehr oder weniger eingeschränktes Dasein fristet.
Für viele Insekten, wie hier z.B. den Distelfalter, ist er eine willkommene Nektarquelle.

Die Acker-Winde (Convolvulus arvensis) ist zwar ein sehr hartnäckiges Wurzelunkraut. Am Wegrand stört sie jedoch Niemanden - im Gegenteil sie ist mit ihren hübschen Blüten eine wahre Augenweide.
Die Blüten bieten reichlich Nektar und Pollen für Bienen, Käfer und Schmetterlinge.
Die Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos-cuculi (L.) Clairv., Syn.: Lychnis flos-cuculi L.)
Die Bestäubung erfolgt durch langrüsselige Bienen und durch Schmetterlinge.
In überdüngten Wiesen ist sie nicht anzutreffen; dafür aber an Böschungen feuchter Gräben an Wegrändern.
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ist wohl jedem schon seit Kindertagen bekannt. Früher war er in Getreidefeldern weit verbreitet. Heute hat er seine Refugien ähnlich wie die Kornblume überwiegend an Wegrändern.

Die Wegränder werden oftmals zusätzlich mit Totalherbiziden tot gespritzt. Da eine Ahndung durch die zuständigen Behörden nur dann erfolgt, wenn explizit ein Anzeiger auftritt, wird sich an dieser Situation voraussichtlich auch nichts ändern. Ein Zurück zu den Produktionsmethoden vor der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts würde uns wahrscheinlich in eine schwer gesellschaftlich handhabbare Mangelsituation führen, die noch nicht einmal realitätsferne Romantiker erstrebenswert finden würden. Übrig bleibt nur eine bewusste Gestaltung und Lenkung des Fortschrittes und Setzung entsprechender Rahmenbedingungen als Ausweg aus dem Dilemma. Wie können die offensichtlichen Probleme gelöst werden? Falls die Funktionäre der überregionalen Naturschutzverbände erwarten sollten, dass die Aktiven auf örtlicher Ebene in dieser Diskussion auf die Landwirtschaft Druck ausüben, sollten diese Verbandsfunktionäre trotz ihrer Distanz zu den Gegebenheiten vor Ort zur Kenntnis nehmen, dass örtliche Naturschützer bei vorhersehbaren Kontroversen sich schlecht mit ihren Nachbarn, Freunden oder sogar quer durch Familien verfeinden können. Deshalb erscheint die örtliche ehrenamtliche Ebene eher als ungeeignet, auch wenn hier die meiste Expertise im Detail vorhanden ist. Zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens sollte die Führung des Prozesses sinnvoller Weise bei den entsprechenden Ressorts der Landkreise angesiedelt sein, z.B. beim Amt für Umwelt, Naturschutz und ländlichen Raum. Die Beteiligung der jeweiligen kommunalen Gremien und der örtlichen Naturschutzverbände versteht sich von selbst. Im Übrigen geht es bei dieser Diskussion nicht um Schuldzuweisung an die einzelnen Landwirte. Diese stehen aufgrund der globalisierten Produktionsbedingungen unter verschärftem Rationalisierungsdruck und müssen, zumindest was die Große der maschinell zu bearbeitenden Schläge angeht, mit dem internationalen Wettbewerb mithalten. Der daraus entstehende Zwiespalt ist nur durch eine geordnete Neustrukturierung der Ackerflächen unter Mitwirkung der Landwirte und der Eigentümer der „alten” Wege (Gemeinden) lösbar, die die Belange des Naturschutzes mit ausgewiesenen Kleinstrukturen und Pestizid freien, nicht durch Umbruch bedrohten Wegrändern auch mit Hilfe amtlicher Auditierung absichert.


16.02.2018 Josef Heinrich Reus



Gehölz- und Heckenschnitt

Der Gehölz- und Heckenschnitt, wie er im Sinne des Naturschutzes zu definieren ist, hat nur sehr wenig mit den allseits geläufigen gärtnerischen Maßnahmen zu tun, die eine Formgebung von Gehölzen und Hecken nach ästhetischen Gesichtspunkten und „Normen” zum Ziel haben. Ebenso wenig soll hier der Formschnitt zur Ertragssteigerung an Obstgehölzen im erwerbs- und hobbymäßigen Obstanbau angesprochen sein. Vielmehr ist hier eine wichtige Pflegemaßnahme an Vogelschutzgehölzen gemeint, die erforderlich ist, um die Funktion derartiger Heckenzüge und von Böschungsbewuchs als Refugium für Tierarten, besonders für unsere Vogelwelt als Versteck und als Aufzuchtsort für ihren Nachwuchs zu erhalten. Anschaulich wird dies an Hand der verschiedenen Weidenarten und z.B. der Schlehe (Prunus spinosa), auch Schwarzdorn genannt. So anheimelnd und schön der Schwarzdorn im zeitigen Frühjahr in voller Blüte auch aussehen mag, ist er in erster Linie als Landschaftselement zur Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Schönheit wertvoll. Im Spätherbst und Winter haben seine Früchte als Nahrungsquelle für einige Vogelarten Bedeutung. Für die Vogelwelt stellt sich eine solche Hecke in ihrer ausgewachsenen stattlichen Schönheit bei der Nistplatz-Suche aber in erster Linie innen verkahlt und hohl dar. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Schwarzdorn-Hecken eine wichtige Funktion bei der Stabilisierung gegen Erosion haben und Schwarzdorn für Vielzahl von Insektenarten oftmals die einzige Futterpflanze darstellt. Festzuhalten bleibt, dass eine Hecke - ganz gleich aus welchen Gehölzen sie besteht - für unsere Vögel immer dann besonders wertvoll ist, wenn sie schon von unten heraus eine starke Verzweigung aufweist.


Die Heckenrose ist eine anmutige Erscheinung. Ihr Habitus lässt sie als Vogelschutzgehölz besonders geeignet erscheinen.
Charaktervogel: Neuntöter, Dorngrasmücke
Die Hagebutte als Frucht der Heckenrose bereichert das Nahrungsangebot für Vögel bis in den Winter hinein und erfreut auch des Menschen Auge. Der Holunder ist eine wichtige Nahrungsquelle für unsere Vogelwelt. Auch Menschen erfreuen sich an diversen wohlschmeckenden Holunderzubereitungen.
Die Holunderbüsche bieten vielen Vogelarten Deckung an den Wegrändern, z.B. unseren Grasmücken, Goldammern und Heckenbraunellen.
Das Pfaffenhütchen ist für den Menschen giftig. Für Vögel dienen die Beeren jedoch als Nahrung.
Seine Wuchsform begünstigt die Bildung sogenannter Nistquirle.
In früheren Zeiten wurden Hecken als Lieferant für Reisig z.B. in Gradierwerken für die Salzgewinnung und andere Zwecke genutzt und dadurch immer wieder zurückgeschnitten. Der Vogelschutz, so kann man unterstellen, war unseren Vorfahren dabei wahrscheinlich herzlich egal. Wenn wir der These folgen, dass unsere Landschaft mit ihrer besonderen Artenzusammensetzung das mehr oder weniger unbeabsichtigte Ergebnis einer Jahrhunderte andauernden Nutzung und Eingriffnahme durch den Menschen ist, ergibt sich zwangsläufig, dass zur Erhaltung dieser Situation spezielle Pflegemaßnahmen erforderlich sind, die frühere Nutzungsformen nachvollziehen. Dadurch wird vermieden, dass durch ungestörtes Wachstum von Gehölzen diese ihren Habitus und damit auch ihre vorteilhaften Eigenschaften für unsere Vogelwelt verlieren.
Immer wieder entstehen sehr kontroverse Situationen, wenn sich Naturfreunde über sogenannte Kahlschläge an Hecken aufregen und dabei die Aktivitäten von Naturschützern mit Argwohn, Unverständnis und Ablehnung verfolgen. Dies liegt sehr oft am nicht ausreichend tief gehenden Verständnis der Erfordernisse beim Erhalt von Strukturen, die für eine Artenvielfalt unbedingt notwendig sind.
Ablehnung wird oft durch die Methode des „auf Stock Setzens” provoziert, weil hier eine frisch bearbeitete Fläche nach den verbreiteten Maßstäben einen in der Tat wirklich traurigen, ja verheerenden Eindruck macht. Aber schon nach einem Jahr zeigt sich, dass der „brutale” Eingriff sich gelohnt hat. Die Gehölze schlagen aus den Wurzeln und dem etwa 20 cm Reststock aus und bilden eine dichte Struktur von neuen Sprossen aus. Wichtig ist bei dieser Maßnahme nur, dass nicht die gesamte Hecke so stark zurückgenommen wird, weil damit der gesamten Population kurzfristig ihre Heimat genommen würde. Wenn Naturschützer den Schnitt auf 1/3 der Hecke beschränken und die Pflege auf 3 Phasen über 3 Jahre ausdehnen, bleibt gewährleistet, dass die Heckenbewohner ausreichend Rückzugsmöglichkeiten behalten und die Struktur der Gesamtanlage durch unterschiedliche Stadien des Aufwuchses eine vielfältige Gliederung entwickelt. Es versteht sich dabei natürlich von selbst, dass die ohnehin gesetzlich verankerte zeitliche Begrenzung auf den Spätwinter bis Ende Februar eingehalten wird. Mit derart aufgeklärter Sichtweise sollten die Naturschützer für ihr sinnvolles Handeln Verständnis finden und vor Anfeindungen bewahrt bleiben.

28.01.2018 Josef Heinrich Reus




Waldkindergarten zieht um

Wie der Vogel- und Naturschutzverein Somborn aus der Presse (GNZ vom 30.05.2017) entnehmen konnte, zieht der zur Zeit noch auf dem Gelände des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn untergebrachte Waldkindergarten auf den alten Sportplatz im Gänsewald um.
Dies hat unbestreitbar einige Vorteile durch die größere Nähe zum Ort und zum Kindergarten „Zwergenland” und zur Konzepttreue mit Bauwagen usw. Für den Vogelschutzverein ist das Ende einer mehrjährigen Leidensgeschichte abzusehen, die in der immer mehr als unzumutbar empfundenen und leider in der erlebten Form nicht vorhergesehenen Beeinträchtigung seiner Aktivitäten im eigenen Haus bis hin zu Baumfällungen auf dem gepachteten Gelände begründet war. Es bleibt zu betonen, dass der Verein mit der Vertragskündigung für den Kindergarten zum Jahresende den Kindergarten nicht vertrieben hat. Vielmehr hat auch der Verein versucht, mit der Gemeinde eine einvernehmliche Lösung zu finden, die den Verbleib des Kindergartens - nur ohne die beklagten Beeinträchtigungen seiner Vereinsaktivitäten - ermöglicht. Dass es nun so gekommen ist und der Kindergarten eine von den objektiven Randbedingungen und der Nähe zur ursprünglichen Idee des Waldkindergartens her eine bessere Bleibe gefunden hat, sollte von allen Beteiligten begrüßt werden.
Der Vogelschutzverein ist nunmehr zuversichtlich, dass die in der Zeitung genannte Komplexität der Pachtvertragssituation nicht wirklich eine begründete Basis hat und sich auch dieses „Problem” lösen lässt, ohne den guten Willen allzu sehr strapazieren zu müssen.

31.05.2017 Josef Heinrich Reus




Wir trauern um unseren Gründer, langjährigen Vorsitzenden und Ehrenvorsitzenden Franz Grimm


Franz Grimm ist am 19.04.2017 im Alter von 90 Jahren verstorben. Er hinterlässt zwei Töchter und fünf Enkel. Franz Grimm hat sich als Gründer des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn große Verdienste um unser Anliegen erworben.
Franz Grimm hat den Vogel- und Naturschutzverein Somborn im Jahr 1963 damals als Vogelschutzgruppe im Obst- und Gartenbauverein Freigericht-Somborn gegründet. Drei Mitstreiter – Emil Schilling, Emil Müller und Benno Herold – schlossen sich ihm spontan an. Noch am selben Abend waren in der Folge an die 20 Gründungsmitglieder dem neuen Verein beigetreten.
Dem Gedanken des Naturschutzes hat er damit schon sehr frühzeitig seine Bedeutung verschafft. Von der Gründung bis zum Jahr 2004 – mit vierjähriger Unterbrechung – führte Franz Grimm den Verein als Vorsitzender erfolgreich.
In dieser Zeit wurde die Vogelschutzhütte gebaut, die Mitgliederzahl vergrößerte sich stark und vier Feuchtbiotope rund um Somborn wurden geschaffen.
Er war über 20 Jahre stellvertretender Vorsitzender im heutigen NABU-Kreisverband Main-Kinzig. Zur Aufbesserung der Finanzen des Vereins mit Hilfe umweltkompatibler Mittel organisierte er Altpapiersammlungen. Er hielt Diavorträge und engagierte sich bei der Gemeinde Freigericht in der Seniorenbetreuung lange Jahre als Wanderführer. So gelang es ihm, soziales Engagement mit der Tätigkeit für unsere Natur zu kombinieren.
Franz Grimm war immer ein geselliger Typ. Davon zeugen seine Aktivitäten als Organisator und Teilnehmer bei Operettenaufführungen und seine aktive Tätigkeit bei verschiedenen Carnevalsformationen. Auch der Vogel und Naturschutzverein Somborn hatte durch ihn viele Kontakte im regionalen Umfeld und darüber hinaus bis nach Karlsruhe und bis nach Belgien.
Offizielle Anerkennung fand Franz Grimm für seinen vielfältigen Einsatz bereits im Jahr 1986 mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen und dann 2002 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.
Wir werden Franz Grimm ein ehrendes Andenken bewahren.

20.04.2017 Roswitha Repp-Fritzsche




Laudatio anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn 1963 e.V. an Herbert Schneider am 08.04.2016

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde.
Als ich gefragt wurde, ob ich bereit wäre, einige Worte zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Vogel- und Naturschutzverein Somborn 1963 e.V. an Herbert Schneider aufzuschreiben, habe ich gerne zugesagt.
Herr Schneider ist nämlich nicht nur langjähriges Mitglied im Somborner Vogel- und Naturschutzverein, in welchem er in hohem Maß die Seele des Vereins verkörpert, sondern ist auch jedem von uns ein lieber Freund.
Durch seinen Einsatz für die Satzungsziele des Vereins ist er für uns alle Vorbild. Durch seine liebenswürdige Art im Umgang mit den anderen Vereinsmitgliedern hat er sich in höchstem Maß Hochachtung erworben. Herbert Schneider war als einer der wichtigsten Mitstreiter in der Gruppe um Werner Peter maßgeblich daran beteiligt den ursprünglich betriebenen Vogelschutz, der anfangs weitgehend an biologischer Schädlingsbekämpfung im Obstbau und an der emotionalen Zuneigung zur Vogelwelt orientiert war, weiter zu entwickeln. Dieser Aufbruch definierte das Selbstverständnis der Vogel- und Naturschutzvereine der Freigerichter Naturschutzrunde neu, hin zu einem umfassenden Verständnis des Naturschutzgedankens als Biotopschutz mit der Schaffung und Erhaltung von Habitaten für gefährdete Vogelarten, Amphibien, Reptilien, Insekten und nicht zuletzt der heimischen Flora.
Trotzdem hat er die Ursprünge des Vogelschutzgedankens nicht vergessen und ist sehr engagiert in der Bereitstellung und Wartung von Einrichtungen zur Winterfütterung und im Erhalten von Nisthilfen für unsere Vögel. Wer schon einmal selbst Gelegenheit hatte, ihn in seiner Hobbywerkstatt im Keller seines Hauses zu besuchen, wird gewiss erstaunt gewesen sein über die Fülle der in Arbeit befindlichen Futtergeräte und Nisthilfen. Was hier gebaut und repariert wird, sind nicht nur die weitgehend bekannten Nisthöhlen für Meisen und andere kleine Höhlenbrüter. Vielmehr handelt es sich meist um spezielle Behausungen für Fledermäuse, Wasseramsel sowie größere Höhlenbrüter wie Turmfalken, Wald- und Steinkauz und Hohltauben, für die Herbert Schneider immer eine Lösung parat hat.
Darüber hinaus widmet er sich der Erhaltung und Sicherung von Refugien für die Schleiereule. Herbert Schneider hat sich mit seinem Fachwissen in verschiedene Arbeitskreise des NABU – Kreisverbandes, zum Beispiel zu Amphibien und der Wasseramsel eingebracht.
Seine reichen botanischen Kenntnisse und seine Liebe zur einheimischen Pflanzenwelt konnte er beim Einsatz zur Erhaltung seltener Pflanzenarten anwenden.
Der Vorstand der Somborner Vogelschützer war immer froh, wenn er den Vereinsmitgliedern in der Jahreshauptversammlung anhand von Herbert Schneiders Berichten zur Entwicklung der Bestände der in unserem Bereich vorkommenden Vogelarten die Erfolge der Naturschutzarbeit deutlich machen und die Aktiven in ihrer Zuversicht bestärken konnte, dass sie auf dem richtigen und erfolgreichen Weg sind.
Mitbürger, die Fragen zur Vogelwelt und speziell zum Umgang mit verunglückten Vögeln haben, sind bei Herbert Schneider gut aufgehoben und finden immer ein offenes Ohr. Auch wenn Problemlösungen im Konfliktfall gefragt sind oder bei eventuellen Ängsten aufgrund der Begegnung mit unbekannten oder als bedrohlich empfundenen Tieren ist er immer ein kompetenter Ansprechpartner.
Man kann sich nur wundern, wie ein Einzelner eine solche Fülle von freiwillig übernommenen Aufgaben bewältigen kann. In diesem Zusammenhang geht unser besonderer Dank auch an seine Frau, die ihm hierbei immer den Rücken freihält.
Insgesamt lässt sich aus allen diesen Einzelverdiensten das Fazit ziehen, dass das Engagement von Herbert Schneider über die erfreulichen Ergebnisse hinaus eine übergeordnete Auswirkung auf den in der Gesellschaft wahrgenommenen Stellenwert des Naturschutzes in seinen vielen Facetten hatte und auch weiterhin noch hat. Für die Fortentwicklung der Selbstwahrnehmung der Naturschutzarbeit nicht nur innerhalb des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn 1963 e.V. sondern auch innerhalb anderer Freigerichter Vereine spielt sein Wirken eine wesentliche Rolle.
Somit erweist sich Herr Schneider als würdiges Ehrenmitglied, so dass wir ihn wohl auch im Einklang mit allen Naturschutzfreunden herzlichst beglückwünschen.
Ich danke für Eure werte Aufmerksamkeit.

08.04.2016 Josef Heinrich Reus



Was den Reiz unserer Feuchtbiotope ausmacht.


Na klar - es ist die Artenvielfalt mit dem Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, die im dramatischen Rückgang begriffen sind. Das ist sehr viel, aber bei Weitem nicht alles. Unsere Feuchtbiotope stellen markante Landschaftselemente dar. Gut, das gilt aber prinzipiell für alle Feuchtbiotope.
Ein besonderer Aspekt in unserem Fall ist ihre Lage in der Topographie rund um Somborn. Unser größtes und bedeutenstes Feuchtbiotop, das Wellbachbiotop, bildet zuammen mit dem Bachlauf des Wellbachs nach Hasselroth über den Hasselbach ein Verbindungselement, einen Trittstein zum Auengebiet an der Kinzig. In die andere Richtung ist der Abstand zu unserem Feuchtbiotop Kreuzweide nicht allzu groß, so dass darin ein Verbund gesehen werden kann. Fortgesetzt in südöstliche Richtung liegt im Leichtersgrund eine ehemalige Teichanlage, die allerdigs nicht zu den Feuchtbiotopen des Vogel- und Naturschutzvereins zählt. Von da aus ist es nicht weit bis zu einer privaten Teichanlage am oberen Lauf des Brückenbachs. Jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt über den Höhenrücken mit der Landstraße L3202 zu den Feuchtbiotopen Schottengrund I und II. Das dazu nächstgelegene Feuchtgebiet liegt dann schon jenseits der Landesgrenze nach Bayern in der Gemarkung Alzenau - Albstadt und erschließt dort die Verbindung zum Einzugsgebiet der Kahl.
Somit bilden unsere Feuchtgebiete eine Kette von Trittsteinen zwischen zwei Regionen, die für den genetischen Austausch und die Wanderung von Individuen so wertvoll sind. Es gilt für uns Somborner Naturschützer diesen Effekt zu verstärken, wo immer dies möglich ist, indem auch kleinste Feuchtstellen vor der Trockenlegung bewahrt oder wieder hergestellt werden.

29.01.2016 Josef Heinrich Reus




Erschreckende Zahlen - hohe Dunkelziffer

Ein Artikel im Hanauer Anzeiger / Magazin zum Wochenende vom 28.02.2015 hat mich auf einen Tatbestand aufmerksam gemacht, der in der Diskussion um den Naturschutz bisher zu wenig Beachtung gefunden hat. In diesem Artikel ging es um eine aktuelle Studie zum Tod von einheimischen und durchziehenden Fledermäusen an den Rotoren von Windkraftanlagen.
Die Rede ist von hochgerechnet ca. 250 000 toten Tieren/Jahr. Die Dunkelziffer ist dabei vermutlich sehr hoch, weil nur ein Teil der Tiere sofort getötet wird. Ein bisher nicht bezifferbarer Anteil verendet am „Barotrauma”, meist Lungenverletzungen durch Drucksprünge im Bereich der Rotorblätter. Diese Tiere leben noch eine gewisse Zeit, so dass ihre Kadaver nicht direkt unter den Windrädern gefunden und somit nicht in die zugeordnete Verlustrate einbezogen werden.
Verluste treten vor allem dann auf, wenn bei relativ niedrigen Windstärken die Fledermäuse bis in Rotorhöhe aufsteigen. Arten, die auch bei uns vorkommen, fliegen allerdings auch bei höherer Windstärke. Es handelt sich hierbei um den „Großen Abendsegler” und die „Rauhautfledermaus”.
Auf jeden Fall müssen aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen gezogen werden, welche bei bestehenden Windkraftanlagen die Betriebszeiten und die erlaubten Mindestwindstärken regulieren. Bei geplanten Anlagen sind die Flugwege der Fledermäuse stärker im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, als das bisher der Fall war.

06.03.2015 Josef Heinrich Reus


Im Wortlaut:
Laudatio für Herbert Schneider aus Anlass der Verleihung des Umweltpreises der Gemeinde Freigericht beim Neujahrsempfang am 17. Januar 2015 in der Freigerichthalle Altenmittlau, gehalten von Horst Karger


Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lucas, sehr geehrter Herr Vorsitzender der Gemeindevertretung Freigericht, Herr Brönner, liebe Freigerichter Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Gäste,
wenn jemand im Freigericht im Gespräch den Namen Herbert Schneider erwähnt und der Gesprächspartner mit dem Namen nicht sogleich etwas anzufangen weiß, kommt unweigerlich der erklärende Zusatz: „Der Vogelherbert”. Spätestens dann kommen keinerlei Missverständnisse mehr auf, wer gemeint ist. Mit der verbalen Treffsicherheit, die nur der Volksmund so oft erreicht, wird eine enge Verbindung zwischen einem Vornamen und der intensiven Beschäftigung des Namensträgers mit der heimischen Vogelwelt geknüpft. Alle, die Herbert Schneider näher kennen, wissen natürlich, dass das Wort „Vogel” aus der Wortverbindung nur als Platzhalter für unglaublich viele Wissens- und Beschäftigungsschwerpunkte herhalten muss, die alle im Natur- und Umweltschutz angesiedelt sind und die der diesjährige Träger des Umweltpreises der Gemeinde Freigericht mit Leidenschaft und Ausdauer seit Jahrzehnten betreibt. Den Gemeindegremien, die Herbert Schneider als würdigen Preisträger vorgeschlagen und einstimmig gewählt haben, ist auch diesmal wieder ein Volltreffer gelungen, und auch für den Laudator ist es einer, nicht nur, weil er aus dem Vollen schöpfen kann.
Der genaue Zeitpunkt, zu dem Herbert Schneider unheilbar mit dem Virus der Vogelkunde infiziert wurde und durch wen, lässt sich nicht eindeutig datieren. Fest steht, dass ihn sein Großvater und sein Onkel häufig an Stelle des eigenen Vaters, den er kaum gekannt hat, weil er leider an der Ostfront gefallen ist, mit in den Wald genommen haben. So wurde schon früh das Interesse des Jungen für alles geweckt, was da kreucht und fleucht. Auch die Obst- und Gartenbauvereine könnten bei der Entwicklung von Herberts Naturliebe Pate gestanden haben, die wegen der natürlichen Schädlingsbekämpfung Nisthöhlen in ihre Streuobstbestände hängten und im Winter die Meisen fütterten. In dieser Tradition und mit ähnlichen Zielsetzungen sind ab 1960 die im Freigericht ansässigen örtlichen Natur- und Vogelschutzvereine gegründet worden, der in Somborn 1963. Den Vereinsgründern genügte der vorwiegend im Dienste des Menschen betriebene Vogelschutz nicht. Sie hielten die heimische Vogelwelt als Teil einer intakten Umwelt allein schon für schützenswert und alle Fakten, die mit ihrem Leben und ihrer Brutbiologie zusammenhingen, für spannend und erforschenswert. Diese Meinung teilte auch Herbert Schneider, der zwar nicht zu den Somborner Vereinsgründern gehörte, aber knapp fünf Jahre nach der Gründung anlässlich einer Ausstellung dieses Vereins, die ihn sehr beeindruckt haben muss, Mitglied beim Vogel- und Naturschutzverein Somborn wurde. Zu jener Zeit war es auch noch guter Brauch, dass man sonntags im Anzug in die Kirche ging. Deshalb wäre der Start zu Herbert Schneiders Erfolg versprechenden Anfängen als versierter Vogelexperte beinahe gescheitert. Denn wieder einmal kam er in gutem Tuch aus der Sonntagsmesse und fand keine Zeit, seine Kleidung zu wechseln, weil er gerade einem ihm bisher unbekannten Vogel auf der Spur war. Bei dessen Verfolgung wurde der begeisterte Ornitholge durch die Rufe seines Forschungsobjektes kreuz und quer durch den Wald geführt, mit dem Erfolg, dass nicht nur die Eleganz seines neuen Sonntagsanzugs stark gelitten hatte, sondern sich auch noch über dem linken Knie ein unübersehbarer winkelförmiger Riss zeigte. Allen Versuchen, den Schaden durch Kunststopfen zu beheben, war nur ein äußerst mäßiger Erfolg beschieden. Wesentlich erfolgreicher war Herbert Schneider bei seinen Bemühungen, die häusliche Harmonie wieder herzustellen. Gott sei Dank!
Den Vogel, den er damals mit so hohem Materialeinsatz verfolgt hat, kennt er heute ganz genau, seinen Artgesang, seinen Warnruf, seinen bevorzugten Lebensraum und sein Nahrungsspektrum, sein Verbreitungsgebiet, seine natürlichen Feinde, den Aufbau seines Nestes, das Aussehen seiner Eier und die maximale Eizahl, den gesamten Brutablauf, wo er überwintert und wann er aus dem Winterquartier zurück kommt, sein Verhaltensrepertoire und alle anderen Besonderheiten. Diese speziellen und profunden Kenntnisse hat sich Herbert Schneider von allen ca. 100 Vogelarten im Laufe der Jahre angeeignet, die im Freigericht und der weiteren Umgebung brüten, dazu noch die von seltenen Wintergästen und Durchzüglern und von vielen Vogelarten, die wir bei unseren Ferienaufenthalten in europäischen Nachbarländern beobachten können. Es muss aber gesagt werden, und Herberts Ehefrau Rosemarie kann das aufatmend bestätigen, dass beim Kennenlernen einer neuen Vogelart nicht jedes Mal ein neuer Sonntagsanzug dran glauben musste.
Bald schon reichten ihm seine überragenden Kenntnisse unserer Vogelwelt nicht mehr aus. Mit der ihm eigenen Gründlichkeit erarbeitete er sich ein genau so hervorragendes Wissen in der Botanik, und er kennt sich bestens mit unseren Amphibien und Fledermäusen aus. Es war kein Wunder, dass er bald landauf landab ein begehrter Führer bei Vogelstimmenwanderungen wurde. Da gab es kaum einen Vogel, den er nicht schon nach seinem Artgesang sicher bestimmen konnte, und wenn es einmal eine Pause im morgendlichen Vogelkonzert gab, füllte sie Herbert Schneider mit botanischen Exkursen. Er konnte die von ihm geleiteten Gruppen mit seinen einprägsamen Ausführungen so begeistern, dass ein Teilnehmer einmal seine Eindrücke so zusammenfasste: „jetzt treibe ich mich schon viele Jahre in Wald und Feld herum, aber bisher muss wohl blind als auch taub durch die Natur gelaufen sein”. Dabei ist Herbert Schneider nicht unbedingt ein Mann großer Worte. Er überzeugt durch seine Authentizität: Nie hat er das ehrfürchtige Staunen über die fein aufeinander abgestimmten Abläufe in der Natur verlernt, aus dem seine unaufgesetzte Frömmigkeit gespeist wird. Viel eher ist er ein Mann der Tat. Bevor manchmal eine strittige Sache unter Vereinskollegen richtig ausdiskutiert ist, hat er sie bereits fachgerecht und zur vollsten Zufriedenheit aller umgesetzt. Seine zupackende Art ohne viele Worte wird anerkannt und hoch geschätzt. Die meiste Zeit seiner 45-jährigen Mitgliedschaft im Vogel- und Naturschutzverein Somborn war er bis heute im erweiterten Vorstand mit allen Naturschutzaufgaben betraut und in seiner 25-jährigen Mitgliedschaft bei den Natur- und Angelfreunden Neuses ist er als Naturschutzwart ebenfalls geachtetes Vorstandsmitglied. In beiden Vereinen und im Freigericht ist er in Natur- und Umweltschutz unentbehrlich, auch als Integrationsfigur bei unterschiedlichen Meinungen. Seine Mitarbeit wird auch im Main-Kinzig-Kreis geschätzt. Seit Jahrzehnten haben seine Beobachtungsdaten über die Populationsentwicklung von Eisvogel und Wasseramsel im Freigericht Eingang in die Dokumentationen der Arbeitsgemeinschaften des NABU-Kreisverbandes gefunden.
Im Winter, wenn Pflanzen, Fledermäuse und Amphibien eine Ruhepause einlegen und die Zugvögel in südlichen Überwinterungsgebieten weilen, könnte Herbert Schneider in Anbetracht seines Alters eigentlich von seinen Aufgaben ausruhen. Weit gefehlt! Neben der Betreuung der Winterfütterung und der Beobachtung interessanter Wintergäste ist er täglich in seiner Werkstatt zugange. Er nutzt die Zeit, um allerlei Nisthöhlen zu reparieren und sie als potentielle Brutstätten für das Frühjahr wieder im Wald aufzuhängen. Mit handwerklichem Geschick baut er zudem Spezialhöhlen für Waldkäuze, Hohltauben und Turmfalken. Aktuell ist die Erneuerung aller Steinkauzröhren in Freigericht und im Kreis sein Arbeitsschwerpunkt. Seine praktische Arbeit bedeutet eine erhebliche finanzielle Einsparung für Vereine und Verbände und damit die Möglichkeit einer zusätzlichen Investition in Natur und Umweltschutz.
Vieles müsste man noch berichten von Herbert Schneiders anfänglichen, stark am Artenschutz orientierten Naturschutzarbeiten bis hin zur Umsetzung einer aktuellen Auffassung von Natur und Umweltschutz, die ihre Schwerpunkte mehr im Erhalten, Pflegen und Schaffen intakter Lebensräume sieht. Aber dann müsste ich ihn erneut für seinen Einsatz bei diesen körperlich äußerst anstrengenden Arbeiten loben, und das hat er bei seiner ausgeprägten Bescheidenheit gar nicht gerne.
Lieber Herbert, ich bedanke mich für deinen jahrzehntelangen vorbildlichen Einsatz in Natur- und Umweltschutz und für alles, was ich dir persönlich an Erkenntnisgewinn zu verdanken habe und gratuliere dir herzlich zum Umweltpreis der Gemeinde Freigericht. Du hast ihn verdient!



Horst Karger