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Hier möchten wir Themen ansprechen, die unserer Meinung nach in der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden oder in vielschichtigeren Zusammenhängen diskutiert werden sollten. Diese können sowohl lokalen Bezug haben, oder auch von übergeordneter Bedeutung sein. Die Texte werden von Zeit zu Zeit ausgetauscht, um Vielfalt und Aktualität sicher zu stellen. In diesem Interesse sind Anregungen und Beiträge stets willkommen. Falls Sie ein Statement auf dieser Seite platzieren möchten, können Sie uns dieses per E-mail (jh.reus-hanau@t-online.de) oder per Post an die im Impressum geannte Anschrift übermitteln. Da wir innerhalb des Vereins das Prinzip der Meinungspluralität beachten wollen, geben Beiträge unter dieser Rubrik nicht einen wie auch immer gearteten offiziellen Vereins-Standpunkt wieder. Sie werden deshalb namentlich gekennzeichnet. Für Links auch innerhalb namentlicher Beiträge gelten sinngemäß die auf unserer Impressum-Seite geltend gemachten Vorbehalte (Disclaimer).
14.03.2019 Josef Heinrich Reus
29.09.2018 Josef Heinrich Reus
01.10.2018 Josef Heinrich Reus
Die Kopfweide ist keine besondere Weidenart oder Züchtung. Ihr charakteristischer Habitus ergibt sich aus dem nutzungsbedingten Schnitt verschiedener
sowohl strauch- als auch baumförmiger Weidenarten. Da wo es sie noch gibt
ist die Kopfweide eine in unserer Kulturlandschaft auffallende, prägende Erscheinung. Mit unberührter Natur hat sie aber demnach
sehr wenig zu tun. Wie bereits erwähnt, basiert ihr besonderes Erscheinungsbild auf einer Nutzung, die dem heutigen Menschen allerdings weitgehend fremd geworden ist.
Weidenruten wurden über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende durch Menschen zur Herstellung von vielerlei Flechtwerk in den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern genutzt. Somit
ist die Kopfweide im weitesten Sinn ein Kulturgut.
Gerne erinnere ich mich daran, wie ich als Jugendlicher am Rand des Weges zur Marienruhe am Somborner Wald durch eine offensichtlich damals noch bewirtschaftete Anlage zur
Erzeugung von Weidenruten gestreift bin. Das Nest einer Heckenbraunelle, versteckt im hüfthohen Stock einer Weide, hat mich so beeindruckt, dass ich noch heute in der Erinnerung
die leuchtend türkisfarbenen Eier im sehr akkurat gebauten Nest vor mir sehe.
Neben diesen kulturellen und persönlich emotionalen Aspekten hat die Kopfweide in unserer die Gegebenheiten der Natur nutzenden Kulturlandschaft auch ihren ökologischen Platz
und für die Artenvielfalt unserer über viele Generationen gewachsenen Habitate einen nicht niedrig einzuschätzenden Stellenwert.
Naturschützer haben sehr wohl erkannt, dass die von ihnen gepflegten Habitate meist keine ursprünglichen Naturlandschaften sind, sondern das Ergebnis einer Jahrtausende
währenden Kultivierung. Wenn sie nun versuchen, Nutzungsformen, die heute nicht mehr üblich sind, durch Pflegemaßnahmen nachzubilden, rührt das, neben der Absicht besondere
Lebensräume zu schaffen bzw. zu erhalten, vielmals aus dem Bestreben her, ein liebgewonnenes Ambiente zu konservieren.
Bedeutung für die Artenvielfalt:
Aber nicht die einleitend erwähnten Kleinodien der Natur machen Kopfweiden so wertvoll. In den zahlreichen Zwickeln und Winkeln, angefüllt mit verrottendem Holz (Mulm) der
Rutenstümpfe findet eine Vielzahl von Organismen ihren Platz. In einer Veröffentlichung auf der Homepage des NABU-Kreisverbandes Heinsberg wird sogar eine Reihe von Pflanzen
aufgelistet, die hier ihr kärgliches Auskommen gefunden haben, für die aber eine epiphytische Lebensweise eher die Ausnahme darstellt:
Große Brennnessel - Urtica dioica
Himbeere - Rubus idaeus
Bittersüßer Nachtschatten – S. dulcuamara
Stechender Hohlzahn - Caleopsis tetrahit
Schwarzer Holunder - Sambucus nigra
Drüsiges Springkraut - Impatiens glandulifera
Gemeiner Löwenzahn - Taraxacum officinale
Eberesche - Sorbus aucuparia
Wiesenrispengras - Poa pratensis
Rote Johannisbeere - Ribes rubrum
Stachelbeere - Ribes uva-crispa
Taubnesselarten - Lamium spec.
Die Epiphytenbesiedlung ist zwar ein interessantes Detail und in einem gewissen Maß kurios. Für den Naturschützer viel bedeutender ist jedoch das Vorkommen etlicher Pilze und
Schwämme, die dann wiederum einer großen Anzahl von Insekten und ihren Larven Nahrung und Unterschlupf bieten. Die Homepage des NABU-Kreisverbandes Heinsberg nennt an Pilzen
die folgenden Arten:
Weiden – Scheibenpilz - Cytidia salicina
Blasiges Eckenscheibchen - Diatrype bullata
Kreisel – Drüsling - Exidia recisa
Weiden – Stengelbecherling - Hymenos cyphus conscriptum
Weidenkätzchen Becherling -Pezizella amenti
Muschelförmiger Feuerschwamm - Phellinus conchatus
Weidenschüppling - Pholiota conissans u.v.m.
Bedeutend ist, dass viele, teilweise bedrohte Käferarten und deren Larven Unterschlupf und Nahrungsbasis in den Kopfweiden finden. Nicht zu vernachlässigen ist der Umstand,
dass durch ständige Verletzung der Holzsubstanz beim Schnitt der Kopfweiden faulende Hohlräume entstehen, die höhlenbewohnenden Vogelarten als Wohnstätte oder Schlafplatz dienen
können. Dies gilt z.B. für den Steinkauz, der durch den Rückgang von Streuobstanlagen und zunehmenden Grünlandumbruch zusätzlichem existenziellem Druck ausgesetzt ist. Weiterhin
zu erwähnen sind Wiedehopf (Wappenvogel des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn), Gartenrotschwanz, alle heimischen Fliegenschnäpper- und Meisenarten.
An Säugetieren fallen Höhlen als Sommerquartiere für Bilche, Fledermäuse und Marderartige ein.
Interessant für die Pflege:
Für die gewerbliche Rutengewinnung wurde ein jährlicher Schnitt durchgeführt. Zur Biotoperhaltung können Intervalle bis zu 10 Jahren abgewartet werden. Diese größeren
Intervalle führen im Nebeneffekt dazu, dass größerflächige Schnittverletzungen entstehen, die das Eindringen von Pilzen und Bakterien erleichtern, so dass sich größere Hohlräume
bilden für die Besiedlung durch Vögel und Kleinsäuger. Es soll nicht verschwiegen werden, dass es einen Zielkonflikt zwischen Landschaftsschutz, Schaffung von Refugien für Kleinlebewesen und der Nahrungsversorgung im zeitigen
Frühjahr für Wild- und Honigbienen gibt. Entschärfen lässt sich dieser Konflikt durch sorgfältige Beachtung und Abwägung der auseinanderlaufenden Interessen. So ist zu vermeiden,
dass Weiden verbreitet allesamt zu Kopfweiden gestutzt werden. Es muss eine genügende Anzahl von Büschen im Frühjahr ungestutzt verbleiben, damit diese genügend Weidenkätzchen
als Nahrungsgrundlage für Nektar und Pollen sammelnde Insekten hervorbringen können. Ein vollständiges Verbannen von Kopfweiden aus unserer Landschaft sollte andererseits ebenso
unterbleiben, weil man ansonsten auf sehr spezielle Habitate für schützenswerte Organismen verzichten würde. Auch manche Landschaft würde so in ihrem reizvollen Erscheinungsbild
verarmen.
Möglicherweise werden Imker dazu andere Ansichten haben, doch sollte auch diese Interessengruppe einsehen, dass die Imkerei nur eine von vielen Nutzungsformen der Natur
darstellt.
Wichtig ist bei allen Schnittmaßnamen, dass man (gilt nicht nur bei der Kopfweidenpflege) niemals komplette Heckenzüge auf einmal stutzt, sondern den Schnitt in mindestens
3-Jahres-Intervalle aufteilt, um immer unterschiedliche Aufwuchsstadien der Heckengehölze zu haben.
Ein anderes in der ersten Begeisterung bei Naturschutzmaßnahmen gern unterschätztes Thema ist der nachhaltige Umgang mit den persönlichen Ressourcen und der eigenen
Leistungsfähigkeit. Der Aufwand bei der Pflege von Kopfweiden darf nicht gering veranschlagt werden, zumal dem Naturschützer im Normalfall kein Mehrwert in Form von Weidenkörben
oder ähnlichen Produkten winkt. So wirkt der damit verbundene erhebliche Aufwand schon per se einer unverhältnismäßig übertriebenen Anlage von Kopfweiden entgegen.
15.09.2018 Josef Heinrich Reus
Der Begriff „Nachhaltigkeit”, der so gerne von Naturschützern, die sich in erster Linie im politischen Umfeld verorten, immer wieder gern
verwendet wird, entstammt eigentlich dem Vokabular der Ökonomie. Er bezog sich anfangs auf die Bewirtschaftung von forstwirtschaftlich genutzten Flächen und folgte der
Erkenntnis, dass Raubbau tunlichst vermieden und nur so viel an Holz zur Nutzung entnommen werden soll, wie auf der bewirtschafteten Fläche wieder bis zur nächsten Entnahme
nachwachsen kann. Dies bezog sich auf die Leistungsfähigkeit der Natur.
In unserem Sinn ist die Anwendung des Begriffs sinnvollerweise ebenfalls ökonomisch zu definieren.
Hier sind die zu beachtenden Faktoren nicht nur die Regenerationsfähigkeit der Natur, sondern auch die Leistungsfähigkeit der im Naturschutz und besonders der Erhaltung und
Pflege von Habitaten tätigen Personen.
Das Ziel und damit unverzichtbares Merkmal des Naturschutzes besteht darin, dem Wohl der Natur Beständigkeit zu verleihen. Vor allem, wenn dieses durch unsere Aktivitäten
erst herbeigeführt wurde, sollten die aufgewendeten Mühen mehr auslösen als ein Strohfeuer, welches nach kurzem Auflodern schnell wieder verlischt. Dies wäre auch unter einer
ökonomischen Sichtweise nicht besonders sinnvoll.
Mehrere Aspekte sind zu beachten: Unsere Maßnahmen sollten nach Möglichkeit Strukturen nutzen, die schon „naturgegeben” vorhanden sind. Dies ist allerdings mangels Masse meist
nur noch sehr selten realisierbar. Wenn durch menschliche Eingriffe geeignete sekundäre Strukturen entstanden sind, müssen diese selbstverständlich genutzt werden, da auf der
anderen Seite durch menschliche Eingriffe genügend natürlich gegebene Biotope vernichtet wurden. Die Nutzung von sekundären Strukturen erfordert immer einen deutlich höheren
Aufwand an Investitionen und Arbeitsleistungen zur Pflege, als der Schutz und die Bewahrung natürlich vorhandener Habitate. Dieser höhere Pflegeaufwand läuft dem Bestreben nach
Nachhaltigkeit leider zuwider, weil er auf die über Generationen andauernde Bereitschaft von Ehrenamtlichen angewiesen ist, die erforderlichen Leistungen zu erbringen.
Andererseits handelt es sich in einer über Jahrhunderte durch menschliche Nutzung geprägten Kulturlandschaft fast immer um durchaus erhaltenswerte „Sekundärstrukturen”, welche
durch Nachvollziehen von landwirtschaftlichen Tätigkeiten bewahrt werden können, die in der heutigen Agrarindustrie nicht mehr üblich sind. Auch die geänderte Rohstoffbasis für
manche Produkte lässt viele der früher gepflegten Kulturen aussterben.
Hier kommt auf die Naturschutzverbände und vor allem auf die vor Ort tätigen Vereine eine verantwortungsvolle Aufgabenstellung zu.
Betroffen von diesem Wandel sind in besonderem Maß sog. Kulturfolger in der Tier- und Pflanzenwelt, wie z.B. Hamster, einige Eulenarten, Schwalben, Weißstorch oder
„Ackerunkräuter”, die als ehemalige Steppenpflanzen durch den vorindustriellen Getreideanbau ihre Verbreitung fanden. In diesem Kontext ist der Politik ein hohes Maß an
Verantwortung zuzuweisen, die durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen dem Gedanken der Erhaltung der Artenvielfalt bei gleichzeitiger auskömmlicher Einkommenssituation
unserer landwirtschaftlichen Betriebe Rechnung tragen muss. Wenn dabei auch noch gesunde, von Giften weitgehend freie Nahrungsmittel erzeugt werden, wäre ein weiterer positiver
Nebeneffekt bewirkt.
Am einfachsten realisierbar ist die Erhaltung der Artenvielfalt im Fall von waldbewohnenden Organismen, die über Prozessschutzflächen eine Überlebenschance bekommen. Hier
lassen sich besonders im öffentlichen Eigentum befindliche Waldbereiche anteilsweise durch entsprechende gesetzliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen sehr nachhaltig schützen,
wenn diese dann auch durch langfristige Festlegungen abgesichert werden.
Fazit für die Naturschutzvereine: Die Naturschutzvereine müssen zunächst bei sich selbst anfangen. Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang die Verankerung des Gedankens eines
nachhaltigen Naturschutzes im öffentlichen Bewusstsein mittels geeigneter interner Bildungsmaßnahmen und entsprechender Öffentlichkeitsarbeit. Jugendarbeit muss einen extrem
hohen Stellenwert bei unseren Bestrebungen haben, weil nur so kommende Generationen die Nachhaltigkeit gewährleisten.
Ein weiterer Aspekt ist der unermüdliche Einsatz gegenüber dem Gesetzgeber auf übergeordneter Ebene durch Öffentlichkeitsarbeit und demokratischen Druck sowie Agieren gegenüber den
Verwaltungen vor Ort im Sinn des nachhaltigen Naturschutzes als verantwortungsbewusste Bürger. Eine große Rolle spielt hierbei die Absicherung von Beständen an
Biotopgelände über Erwerb als Eigentum oder langfristige Pachtverträge. Eine generell anzustrebende Maßnahme ist immer die möglichst hohe Einstufung von Habitaten als Schutzgebiete.
Letztlich folgt somit das Bestreben nach „Nachhaltigkeit” nicht den manchmal etwas nebulosen „Neusprech”- Wortmoden, die irgendwo eine diffuse Sehnsucht ausdrücken nach einer
heilen Welt, in der es keinen Wandel (und keine Menschen) gibt, sondern meinen ganz handfest die ökonomischen Randbedingungen, unter denen ehrenamtliche Naturschutzaktive einen
Dienst leisten, der nicht in frustrierende Sisyphusarbeit ausartet.
03.03.2018 Josef Heinrich Reus
Feldwege bildeten in unserer Flur einstmals ein engmaschiges Netz und dienten der Zugänglichkeit zu den landwirtschaftlichen Flächen, die im Gegensatz zu heute in relativ
kleine Schläge aufgeteilt waren. Früher bemaß sich die Schlaggröße in der Flächeneinheit „Morgen”. Diese Bezeichnung leitete sich aus der im Zeitraum eines Morgens
bearbeitbaren Fläche her und wies so schon auf die natürliche Größenbegrenzung der Schläge hin. Dies ist heute nur noch von sprachgeschichtlichem Interesse.
Heute sind die Schläge deutlich größer. Dafür gibt es einen rationalen Grund. Wegen der Anwendung von modernen Bearbeitungsmaschinen, die auf Grund der internationalen
Wettbewerbssituation für unsere Landwirte unvermeidlich ist, ist die Zerstückelung in kleine Schläge wirtschaftlich nicht mehr tragbar. Der Hessische
Bauernverband (im Landwirtschaftlichen Wochenblatt 14/2017) sah sich sogar nicht nur zur Aussage veranlasst, der Umbruch von Feldwegen sei gerechtfertigt als
„Rationalisierung” und „Kosteneinsparungspotential”. Gegeben seien sogar positive Umwelt- und Klimaeffekte, weil Treibstoff und damit Emissionen eingespart würden.
Die Landwirte erhalten sogar für die Flächen ungenehmigt umgebrochener Feldwege EU-Agrarförderung, wobei allerdings nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Feldwege als
geschütztes Landschaftselement bei der EU-Flächenförderung ebenfalls förderfähig sind. Im Prinzip treffen die Statements des Hessischen Bauernverbandes zu, doch
beschreiben sie nur die halbe Wahrheit. Was der Hessische Bauernverband ignoriert, ist die Funktion von Feldwegen über die einfache Logistik hinaus. Sie sind für die Artenvielfalt
wichtiger Bestandteil unserer Kulturlandschaft. Das trifft auf die Vögel der offenen Feldflur, das Niederwild, die botanische Vielfalt und die Welt der Insekten, für andere Gliedertiere
und Wirbellose aber auch einige Reptilienarten zu. Dass die Landwirtschaft, indem sie ihr Gewerbe großflächig ausübt, auch eine besondere Verantwortung für die in ihrem
Einwirkungsbereich existierenden Lebewesen trägt, sollte sich eigentlich auch einem Verbandsvorsitzenden an seinen Scheuklappen vorbei erschließen.
Die Gemeine oder Gewöhnliche Wegwarte (Cichorium intybus), auch Zichorie genannt. Sie trägt den Bezug zu ihrem Standort im Namen. Wegen der anmutigen Blüten und der enthaltenen Bitterstoffe ranken sich viele Mythen um das Kraut. Nutzung als Gemüse-, Salat- und Heilpflanze auch in verschiedenen Zuchtformen. |
Platterbsen (Lathyrus) und die bekannte Kamille (Matricaria chamomilla L.) zieren oft Wegränder, die beim Totspritzen vergessen wurden. | Die Margerite (Chrysanthemum leucanthemum) ist eigentlich eine typische Wiesenblume. Mit der Änderung der Ökologie unserer Wiesen ist sie fast nur noch als Wegrand-Blume anzutreffen. |
Das Echte Leinkraut (Linaria vulgaris) sieht einem Löwenmäulchen ähnlich. Insekten, die an seinen Nektar kommen wollen, müssen schon einige Kraft aufbringen, um die „Mäuler” zu öffnen. Deshalb werden ihre Blüten hauptsächlich von Wildbienen und Hummeln frequentiert. |
Die wahrhaft alarmierenden Zahlen zum Rückgang der Arten und zum Rückgang der in „Biomasse” ausgedrückten Zahl der Individuen an Insekten müssen uns veranlassen, hier eine Wende zu fordern. Die Studie, die wegen eines Biomasserückgangs an Fluginsekten um 75 bis 80 % innerhalb von ca. 20 Jahren von den Naturschutzverbänden bis zum Umweltministerium ein enormes Aufsehen erregt hat, wurde zwar schnell als methodisch angreifbar abqualifiziert, wohingegen in anderen Studien immerhin noch eine Größenordnung von über 20 % Verlust ermittelt wurde. Wenn man sich einmal die Mühe machen würde, den Sachverhalt methodisch einwandfrei zu untersuchen, würde man schätzungweise bei einem Wert um 50 % landen, was in der Tat alarmierend genug sein sollte und auch dem erlebten Erfahrungswert vieler Naturfreunde entspräche. Der NABU spricht im Schwerpunktthema seines Mitgliedermagazins Naturschutz heute vom Winter 2018 eine deutliche Sprache. Die in diesem Blatt genannten Zahlen lassen aufhorchen: So gingen in nur 12 Jahren 12,7 Millionen (15 % des Bestandes) an Vogelbrutpaaren verloren. Diese traurige Entwicklung fand parallel zur Ausräumung und Verarmung der landwirtschaftlich genutzten Landschaft und zum ungebremsten Pestizideinsatz statt. Das große Sterben hat viele Ursachen, die in ihrer Komplexität und ihrem Zusammenwirken mittlerweile aber bestens erforscht sind. Diese Ursachen reichen von extrem artenarmen Monokulturen - auch beim Anbau sog. „Energiepflanzen” - bis hin zur Anwendung von modernen Insektiziden wie z.B. Neonicotinoiden (Nervengifte, die an den Acetylcholinrezeptoren angreifen). Zudem wurden die ursprünglichen Wegbreiten von ca. 6 bis 8 Meter dort, wo überhaupt noch Wege übrig sind, oftmals auf 3 bis 3,5 Meter reduziert (Dieter Gothe vom NABU Solz in Hessen natürlich 1/2018), was eine zusätzliche Verminderung der ehemals vorhandenen Refugien bedeutet.
Der Wiesensalbei (Salvia pratensis) ist eine ehemals weit verbreitete Wiesenblume und teilte sich diesen Standort mit der Margerite. Wie diese musste
er heute wegen der intensiven Bewirtschaftung der Wiesen an die Wegränder ausweichen, wo er ein mehr oder weniger eingeschränktes Dasein fristet. Für viele Insekten, wie hier z.B. den Distelfalter, ist er eine willkommene Nektarquelle. |
Die Acker-Winde (Convolvulus arvensis) ist zwar ein sehr hartnäckiges Wurzelunkraut. Am Wegrand stört sie jedoch Niemanden - im Gegenteil sie ist mit ihren
hübschen Blüten eine wahre Augenweide. Die Blüten bieten reichlich Nektar und Pollen für Bienen, Käfer und Schmetterlinge. |
Die Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos-cuculi (L.) Clairv., Syn.: Lychnis flos-cuculi L.) Die Bestäubung erfolgt durch langrüsselige Bienen und durch Schmetterlinge. In überdüngten Wiesen ist sie nicht anzutreffen; dafür aber an Böschungen feuchter Gräben an Wegrändern. |
Der Klatschmohn (Papaver rhoeas) ist wohl jedem schon seit Kindertagen bekannt. Früher war er in Getreidefeldern weit verbreitet. Heute hat er seine Refugien ähnlich wie die Kornblume überwiegend an Wegrändern. |
Die Wegränder werden oftmals zusätzlich mit Totalherbiziden tot gespritzt. Da eine Ahndung durch die zuständigen Behörden nur dann erfolgt, wenn explizit ein Anzeiger auftritt, wird sich an dieser Situation voraussichtlich auch nichts ändern. Ein Zurück zu den Produktionsmethoden vor der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts würde uns wahrscheinlich in eine schwer gesellschaftlich handhabbare Mangelsituation führen, die noch nicht einmal realitätsferne Romantiker erstrebenswert finden würden. Übrig bleibt nur eine bewusste Gestaltung und Lenkung des Fortschrittes und Setzung entsprechender Rahmenbedingungen als Ausweg aus dem Dilemma. Wie können die offensichtlichen Probleme gelöst werden? Falls die Funktionäre der überregionalen Naturschutzverbände erwarten sollten, dass die Aktiven auf örtlicher Ebene in dieser Diskussion auf die Landwirtschaft Druck ausüben, sollten diese Verbandsfunktionäre trotz ihrer Distanz zu den Gegebenheiten vor Ort zur Kenntnis nehmen, dass örtliche Naturschützer bei vorhersehbaren Kontroversen sich schlecht mit ihren Nachbarn, Freunden oder sogar quer durch Familien verfeinden können. Deshalb erscheint die örtliche ehrenamtliche Ebene eher als ungeeignet, auch wenn hier die meiste Expertise im Detail vorhanden ist. Zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens sollte die Führung des Prozesses sinnvoller Weise bei den entsprechenden Ressorts der Landkreise angesiedelt sein, z.B. beim Amt für Umwelt, Naturschutz und ländlichen Raum. Die Beteiligung der jeweiligen kommunalen Gremien und der örtlichen Naturschutzverbände versteht sich von selbst. Im Übrigen geht es bei dieser Diskussion nicht um Schuldzuweisung an die einzelnen Landwirte. Diese stehen aufgrund der globalisierten Produktionsbedingungen unter verschärftem Rationalisierungsdruck und müssen, zumindest was die Große der maschinell zu bearbeitenden Schläge angeht, mit dem internationalen Wettbewerb mithalten. Der daraus entstehende Zwiespalt ist nur durch eine geordnete Neustrukturierung der Ackerflächen unter Mitwirkung der Landwirte und der Eigentümer der „alten” Wege (Gemeinden) lösbar, die die Belange des Naturschutzes mit ausgewiesenen Kleinstrukturen und Pestizid freien, nicht durch Umbruch bedrohten Wegrändern auch mit Hilfe amtlicher Auditierung absichert.
16.02.2018 Josef Heinrich Reus
Der Gehölz- und Heckenschnitt, wie er im Sinne des Naturschutzes zu definieren ist, hat nur sehr wenig mit den allseits geläufigen gärtnerischen Maßnahmen zu tun, die eine Formgebung von Gehölzen und Hecken nach ästhetischen Gesichtspunkten und „Normen” zum Ziel haben. Ebenso wenig soll hier der Formschnitt zur Ertragssteigerung an Obstgehölzen im erwerbs- und hobbymäßigen Obstanbau angesprochen sein. Vielmehr ist hier eine wichtige Pflegemaßnahme an Vogelschutzgehölzen gemeint, die erforderlich ist, um die Funktion derartiger Heckenzüge und von Böschungsbewuchs als Refugium für Tierarten, besonders für unsere Vogelwelt als Versteck und als Aufzuchtsort für ihren Nachwuchs zu erhalten. Anschaulich wird dies an Hand der verschiedenen Weidenarten und z.B. der Schlehe (Prunus spinosa), auch Schwarzdorn genannt. So anheimelnd und schön der Schwarzdorn im zeitigen Frühjahr in voller Blüte auch aussehen mag, ist er in erster Linie als Landschaftselement zur Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses nach Schönheit wertvoll. Im Spätherbst und Winter haben seine Früchte als Nahrungsquelle für einige Vogelarten Bedeutung. Für die Vogelwelt stellt sich eine solche Hecke in ihrer ausgewachsenen stattlichen Schönheit bei der Nistplatz-Suche aber in erster Linie innen verkahlt und hohl dar. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Schwarzdorn-Hecken eine wichtige Funktion bei der Stabilisierung gegen Erosion haben und Schwarzdorn für Vielzahl von Insektenarten oftmals die einzige Futterpflanze darstellt. Festzuhalten bleibt, dass eine Hecke - ganz gleich aus welchen Gehölzen sie besteht - für unsere Vögel immer dann besonders wertvoll ist, wenn sie schon von unten heraus eine starke Verzweigung aufweist.
Die Heckenrose ist eine anmutige Erscheinung. Ihr Habitus lässt sie als Vogelschutzgehölz besonders geeignet erscheinen. Charaktervogel: Neuntöter, Dorngrasmücke |
Die Hagebutte als Frucht der Heckenrose bereichert das Nahrungsangebot für Vögel bis in den Winter hinein und erfreut auch des Menschen Auge. | Der Holunder ist eine wichtige Nahrungsquelle für unsere Vogelwelt. Auch Menschen erfreuen sich an diversen wohlschmeckenden Holunderzubereitungen. Die Holunderbüsche bieten vielen Vogelarten Deckung an den Wegrändern, z.B. unseren Grasmücken, Goldammern und Heckenbraunellen. |
Das Pfaffenhütchen ist für den Menschen giftig. Für Vögel dienen die Beeren jedoch als Nahrung. Seine Wuchsform begünstigt die Bildung sogenannter Nistquirle. |
28.01.2018 Josef Heinrich Reus
Wie der Vogel- und Naturschutzverein Somborn aus der Presse (GNZ vom 30.05.2017) entnehmen konnte, zieht der zur Zeit noch auf dem Gelände des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn untergebrachte Waldkindergarten auf den alten Sportplatz im Gänsewald um.
Dies hat unbestreitbar einige Vorteile durch die größere Nähe zum Ort und zum Kindergarten „Zwergenland” und zur Konzepttreue mit Bauwagen usw. Für den Vogelschutzverein ist das Ende einer mehrjährigen Leidensgeschichte abzusehen,
die in der immer mehr als unzumutbar empfundenen und leider in der erlebten Form nicht vorhergesehenen Beeinträchtigung seiner Aktivitäten im eigenen Haus bis hin zu Baumfällungen auf dem gepachteten Gelände begründet war. Es bleibt zu betonen, dass der Verein mit der
Vertragskündigung für den Kindergarten zum Jahresende den Kindergarten nicht vertrieben hat. Vielmehr hat auch der Verein versucht, mit der Gemeinde eine einvernehmliche Lösung zu finden, die den Verbleib des Kindergartens - nur
ohne die beklagten Beeinträchtigungen seiner Vereinsaktivitäten - ermöglicht. Dass es nun so gekommen ist und der Kindergarten eine von den objektiven Randbedingungen und der Nähe zur ursprünglichen Idee des Waldkindergartens her eine bessere
Bleibe gefunden hat, sollte von allen Beteiligten begrüßt werden.
Der Vogelschutzverein ist nunmehr zuversichtlich, dass die in der Zeitung genannte Komplexität der Pachtvertragssituation nicht wirklich eine begründete Basis hat und sich auch dieses „Problem” lösen lässt, ohne den guten Willen allzu sehr strapazieren zu müssen.
31.05.2017 Josef Heinrich Reus
Franz Grimm ist am 19.04.2017 im Alter von 90 Jahren verstorben. Er hinterlässt zwei Töchter und fünf Enkel. Franz Grimm hat sich als Gründer des Vogel- und Naturschutzvereins Somborn große Verdienste um unser Anliegen erworben.
Franz Grimm hat den Vogel- und Naturschutzverein Somborn im Jahr 1963 damals als Vogelschutzgruppe im Obst- und Gartenbauverein Freigericht-Somborn gegründet. Drei Mitstreiter – Emil Schilling, Emil Müller und Benno Herold – schlossen sich ihm spontan an. Noch am selben Abend
waren in der Folge an die 20 Gründungsmitglieder dem neuen Verein beigetreten.
Dem Gedanken des Naturschutzes hat er damit schon sehr frühzeitig seine Bedeutung verschafft. Von der Gründung bis zum
Jahr 2004 – mit vierjähriger Unterbrechung – führte Franz Grimm den Verein als Vorsitzender erfolgreich.
In dieser Zeit wurde die Vogelschutzhütte gebaut, die Mitgliederzahl vergrößerte sich stark und vier Feuchtbiotope rund um Somborn wurden geschaffen.
Er war über 20 Jahre stellvertretender Vorsitzender im heutigen NABU-Kreisverband Main-Kinzig. Zur Aufbesserung der Finanzen des Vereins mit Hilfe umweltkompatibler Mittel organisierte er Altpapiersammlungen. Er hielt Diavorträge und engagierte sich bei der Gemeinde
Freigericht in der Seniorenbetreuung lange Jahre als Wanderführer. So gelang es ihm, soziales Engagement mit der Tätigkeit für unsere Natur zu kombinieren.
Franz Grimm war immer ein geselliger Typ. Davon zeugen seine Aktivitäten als Organisator und Teilnehmer bei Operettenaufführungen und seine aktive Tätigkeit bei verschiedenen Carnevalsformationen. Auch der Vogel und Naturschutzverein Somborn hatte durch ihn
viele Kontakte im regionalen Umfeld und darüber hinaus bis nach Karlsruhe und bis nach Belgien.
Offizielle Anerkennung fand Franz Grimm für seinen vielfältigen Einsatz bereits im Jahr 1986 mit dem Ehrenbrief des Landes Hessen und dann 2002 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.
Wir werden Franz Grimm ein ehrendes Andenken bewahren.
20.04.2017 Roswitha Repp-Fritzsche
08.04.2016 Josef Heinrich Reus
Na klar - es ist die Artenvielfalt mit dem Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten, die im dramatischen Rückgang begriffen sind. Das ist sehr viel, aber
bei Weitem nicht alles. Unsere Feuchtbiotope stellen markante Landschaftselemente dar. Gut, das gilt aber prinzipiell für alle Feuchtbiotope.
Ein besonderer Aspekt in unserem Fall ist ihre Lage in der Topographie rund um Somborn. Unser größtes und bedeutenstes Feuchtbiotop, das Wellbachbiotop, bildet zuammen mit dem
Bachlauf
des Wellbachs nach Hasselroth über den Hasselbach ein Verbindungselement, einen Trittstein zum Auengebiet an der Kinzig. In die andere Richtung ist der Abstand zu
unserem Feuchtbiotop Kreuzweide nicht allzu groß, so dass darin ein Verbund gesehen werden kann. Fortgesetzt in südöstliche Richtung liegt im Leichtersgrund eine ehemalige Teichanlage, die
allerdigs nicht zu den Feuchtbiotopen des Vogel- und Naturschutzvereins zählt. Von da aus ist es nicht weit bis zu einer privaten Teichanlage am oberen Lauf des Brückenbachs.
Jetzt ist es nur noch ein kleiner Schritt über den Höhenrücken mit der Landstraße L3202 zu den Feuchtbiotopen Schottengrund I und II. Das dazu nächstgelegene Feuchtgebiet liegt dann schon
jenseits der Landesgrenze nach Bayern in der Gemarkung Alzenau - Albstadt und erschließt dort die Verbindung zum Einzugsgebiet der Kahl.
Somit bilden unsere Feuchtgebiete eine Kette von
Trittsteinen zwischen zwei Regionen, die für den genetischen Austausch und die Wanderung von Individuen so wertvoll sind. Es gilt für uns Somborner Naturschützer diesen Effekt zu verstärken,
wo immer dies möglich ist, indem auch kleinste Feuchtstellen vor der Trockenlegung bewahrt oder wieder hergestellt werden.
29.01.2016 Josef Heinrich Reus
Ein Artikel im Hanauer Anzeiger / Magazin zum Wochenende vom 28.02.2015 hat mich auf einen Tatbestand aufmerksam gemacht, der in der
Diskussion um den Naturschutz bisher zu wenig Beachtung gefunden hat. In diesem Artikel ging es um eine aktuelle Studie zum Tod von einheimischen und durchziehenden Fledermäusen an
den Rotoren von Windkraftanlagen.
Die Rede ist von hochgerechnet ca. 250 000 toten Tieren/Jahr. Die Dunkelziffer ist dabei vermutlich sehr hoch, weil nur ein Teil der Tiere sofort getötet wird. Ein
bisher nicht bezifferbarer Anteil verendet am „Barotrauma”, meist Lungenverletzungen durch Drucksprünge im Bereich der Rotorblätter. Diese Tiere leben
noch eine gewisse Zeit, so dass ihre Kadaver nicht direkt unter den Windrädern gefunden und somit nicht in die zugeordnete Verlustrate einbezogen werden.
Verluste treten vor allem dann auf, wenn bei relativ niedrigen Windstärken die Fledermäuse bis in Rotorhöhe aufsteigen. Arten, die auch bei uns vorkommen, fliegen
allerdings auch bei höherer Windstärke. Es handelt sich hierbei um den „Großen Abendsegler” und die „Rauhautfledermaus”.
Auf jeden Fall müssen aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen gezogen werden, welche bei bestehenden Windkraftanlagen die Betriebszeiten und die erlaubten
Mindestwindstärken regulieren. Bei geplanten Anlagen sind die Flugwege der Fledermäuse stärker im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, als das bisher der Fall war.
06.03.2015 Josef Heinrich Reus
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Lucas, sehr geehrter Herr
Vorsitzender der Gemeindevertretung Freigericht, Herr Brönner, liebe Freigerichter Mitbürgerinnen
und Mitbürger, liebe Gäste,
wenn jemand im Freigericht im Gespräch den Namen Herbert Schneider erwähnt und der Gesprächspartner
mit dem Namen nicht sogleich etwas anzufangen weiß, kommt unweigerlich der erklärende Zusatz:
„Der Vogelherbert”. Spätestens dann kommen keinerlei Missverständnisse mehr auf, wer gemeint ist.
Mit der verbalen Treffsicherheit, die nur der Volksmund so oft erreicht, wird eine enge Verbindung
zwischen einem Vornamen und der intensiven Beschäftigung des Namensträgers mit der heimischen Vogelwelt
geknüpft. Alle, die Herbert Schneider näher kennen, wissen natürlich, dass das Wort „Vogel” aus der
Wortverbindung nur als Platzhalter für unglaublich viele Wissens- und Beschäftigungsschwerpunkte herhalten muss,
die alle im Natur- und Umweltschutz angesiedelt sind und die der diesjährige Träger des Umweltpreises der
Gemeinde Freigericht mit Leidenschaft und Ausdauer seit Jahrzehnten betreibt. Den Gemeindegremien, die Herbert
Schneider als würdigen Preisträger vorgeschlagen und einstimmig gewählt haben, ist auch diesmal wieder ein
Volltreffer gelungen, und auch für den Laudator ist es einer, nicht nur, weil er aus dem Vollen schöpfen kann.
Der genaue Zeitpunkt, zu dem Herbert Schneider unheilbar mit dem Virus der Vogelkunde infiziert wurde und durch
wen, lässt sich nicht eindeutig datieren. Fest steht, dass ihn sein Großvater und sein Onkel häufig an Stelle
des eigenen Vaters, den er kaum gekannt hat, weil er leider an der Ostfront gefallen ist, mit in den Wald
genommen haben. So wurde schon früh das Interesse des Jungen für alles geweckt, was da kreucht und fleucht.
Auch die Obst- und Gartenbauvereine könnten bei der Entwicklung von Herberts Naturliebe Pate gestanden haben,
die wegen der natürlichen Schädlingsbekämpfung Nisthöhlen in ihre Streuobstbestände hängten und im Winter die
Meisen fütterten. In dieser Tradition und mit ähnlichen Zielsetzungen sind ab 1960 die im Freigericht ansässigen
örtlichen Natur- und Vogelschutzvereine gegründet worden, der in Somborn 1963. Den Vereinsgründern genügte der
vorwiegend im Dienste des Menschen betriebene Vogelschutz nicht. Sie hielten die heimische Vogelwelt als Teil
einer intakten Umwelt allein schon für schützenswert und alle Fakten, die mit ihrem Leben und ihrer Brutbiologie
zusammenhingen, für spannend und erforschenswert. Diese Meinung teilte auch Herbert Schneider, der zwar nicht
zu den Somborner Vereinsgründern gehörte, aber knapp fünf Jahre nach der Gründung anlässlich einer Ausstellung
dieses Vereins, die ihn sehr beeindruckt haben muss, Mitglied beim Vogel- und Naturschutzverein Somborn wurde.
Zu jener Zeit war es auch noch guter Brauch, dass man sonntags im Anzug in die Kirche ging. Deshalb wäre der Start
zu Herbert Schneiders Erfolg versprechenden Anfängen als versierter Vogelexperte beinahe gescheitert. Denn wieder
einmal kam er in gutem Tuch aus der Sonntagsmesse und fand keine Zeit, seine Kleidung zu wechseln, weil er gerade
einem ihm bisher unbekannten Vogel auf der Spur war. Bei dessen Verfolgung wurde der begeisterte Ornitholge durch
die Rufe seines Forschungsobjektes kreuz und quer durch den Wald geführt, mit dem Erfolg, dass nicht nur die Eleganz
seines neuen Sonntagsanzugs stark gelitten hatte, sondern sich auch noch über dem linken Knie ein unübersehbarer
winkelförmiger Riss zeigte. Allen Versuchen, den Schaden durch Kunststopfen zu beheben, war nur ein äußerst mäßiger
Erfolg beschieden. Wesentlich erfolgreicher war Herbert Schneider bei seinen Bemühungen, die häusliche Harmonie
wieder herzustellen. Gott sei Dank!
Den Vogel, den er damals mit so hohem Materialeinsatz verfolgt hat, kennt er heute ganz genau, seinen Artgesang,
seinen Warnruf, seinen bevorzugten Lebensraum und sein Nahrungsspektrum, sein Verbreitungsgebiet, seine natürlichen
Feinde, den Aufbau seines Nestes, das Aussehen seiner Eier und die maximale Eizahl, den gesamten Brutablauf, wo er
überwintert und wann er aus dem Winterquartier zurück kommt, sein Verhaltensrepertoire und alle anderen Besonderheiten.
Diese speziellen und profunden Kenntnisse hat sich Herbert Schneider von allen ca. 100 Vogelarten im Laufe der Jahre
angeeignet, die im Freigericht und der weiteren Umgebung brüten, dazu noch die von seltenen Wintergästen und
Durchzüglern und von vielen Vogelarten, die wir bei unseren Ferienaufenthalten in europäischen Nachbarländern
beobachten können. Es muss aber gesagt werden, und Herberts Ehefrau Rosemarie kann das aufatmend bestätigen, dass beim
Kennenlernen einer neuen Vogelart nicht jedes Mal ein neuer Sonntagsanzug dran glauben musste.
Bald schon reichten ihm seine überragenden Kenntnisse unserer Vogelwelt nicht mehr aus. Mit der ihm eigenen
Gründlichkeit erarbeitete er sich ein genau so hervorragendes Wissen in der Botanik, und er kennt sich bestens
mit unseren Amphibien und Fledermäusen aus. Es war kein Wunder, dass er bald landauf landab ein begehrter Führer bei
Vogelstimmenwanderungen wurde. Da gab es kaum einen Vogel, den er nicht schon nach seinem Artgesang sicher bestimmen
konnte, und wenn es einmal eine Pause im morgendlichen Vogelkonzert gab, füllte sie Herbert Schneider mit botanischen
Exkursen. Er konnte die von ihm geleiteten Gruppen mit seinen einprägsamen Ausführungen so begeistern, dass ein
Teilnehmer einmal seine Eindrücke so zusammenfasste: „jetzt treibe ich mich schon viele Jahre in Wald und Feld
herum, aber bisher muss wohl blind als auch taub durch die Natur gelaufen sein”. Dabei ist Herbert Schneider
nicht unbedingt ein Mann großer Worte. Er überzeugt durch seine Authentizität: Nie hat er das ehrfürchtige Staunen über
die fein aufeinander abgestimmten Abläufe in der Natur verlernt, aus dem seine unaufgesetzte Frömmigkeit gespeist wird.
Viel eher ist er ein Mann der Tat. Bevor manchmal eine strittige Sache unter Vereinskollegen richtig ausdiskutiert ist,
hat er sie bereits fachgerecht und zur vollsten Zufriedenheit aller umgesetzt. Seine zupackende Art ohne viele Worte
wird anerkannt und hoch geschätzt. Die meiste Zeit seiner 45-jährigen Mitgliedschaft im Vogel- und Naturschutzverein
Somborn war er bis heute im erweiterten Vorstand mit allen Naturschutzaufgaben betraut und in seiner 25-jährigen
Mitgliedschaft bei den Natur- und Angelfreunden Neuses ist er als Naturschutzwart ebenfalls geachtetes Vorstandsmitglied.
In beiden Vereinen und im Freigericht ist er in Natur- und Umweltschutz unentbehrlich, auch als Integrationsfigur bei
unterschiedlichen Meinungen. Seine Mitarbeit wird auch im Main-Kinzig-Kreis geschätzt. Seit Jahrzehnten haben seine
Beobachtungsdaten über die Populationsentwicklung von Eisvogel und Wasseramsel im Freigericht Eingang in die
Dokumentationen der Arbeitsgemeinschaften des NABU-Kreisverbandes gefunden.
Im Winter, wenn Pflanzen, Fledermäuse und Amphibien eine Ruhepause einlegen und die Zugvögel in südlichen
Überwinterungsgebieten weilen, könnte Herbert Schneider in Anbetracht seines Alters eigentlich von seinen Aufgaben
ausruhen. Weit gefehlt! Neben der Betreuung der Winterfütterung und der Beobachtung interessanter Wintergäste ist er
täglich in seiner Werkstatt zugange. Er nutzt die Zeit, um allerlei Nisthöhlen zu reparieren und sie als potentielle
Brutstätten für das Frühjahr wieder im Wald aufzuhängen. Mit handwerklichem Geschick baut er zudem Spezialhöhlen
für Waldkäuze, Hohltauben und Turmfalken. Aktuell ist die Erneuerung aller Steinkauzröhren in Freigericht und im Kreis
sein Arbeitsschwerpunkt. Seine praktische Arbeit bedeutet eine erhebliche finanzielle Einsparung für Vereine und Verbände
und damit die Möglichkeit einer zusätzlichen Investition in Natur und Umweltschutz.
Vieles müsste man noch berichten von Herbert Schneiders anfänglichen, stark am Artenschutz orientierten Naturschutzarbeiten
bis hin zur Umsetzung einer aktuellen Auffassung von Natur und Umweltschutz, die ihre Schwerpunkte mehr im Erhalten, Pflegen
und Schaffen intakter Lebensräume sieht. Aber dann müsste ich ihn erneut für seinen Einsatz bei diesen körperlich äußerst
anstrengenden Arbeiten loben, und das hat er bei seiner ausgeprägten Bescheidenheit gar nicht gerne.
Lieber Herbert, ich bedanke mich für deinen jahrzehntelangen vorbildlichen Einsatz in Natur- und Umweltschutz und für alles,
was ich dir persönlich an Erkenntnisgewinn zu verdanken habe und gratuliere dir herzlich zum Umweltpreis der Gemeinde
Freigericht. Du hast ihn verdient!
Horst Karger